Monrepos oder die Kaelte der Macht
nichts, doch das Bonmot stand in allen Zeitungen.
Als unübertroffene Meisterleistung freilich galt Dr. Weis’ Bibelfund Jesaja 6, Vers 8. Bei einer Feierstunde des Rundfunks ließ er Breisinger zitieren: ›Die Stimme des Herrn sprach: Wen soll ich senden? Ich aber sprach: Hier bin ich, Herr, sende mich!‹ Man munkelte, die kurz darauf erfolgte übertarifliche Eingruppierung des Ghostwriters rühre von nichts anderem her als von diesem glücklichen Griff.
Sich in bildungsbürgerlichen Gefilden zu bewegen, fiel Gundelach leicht. Es paßte zu seiner Neigung, Politik idealistisch zu überhöhen, um ihr den stumpfen, alltäglichen Geruch zu nehmen. Seiner Meinung nach war Politik eine Kunstgattung, weder die unwichtigste noch die einfachste, und somit gehörte sie in den Olymp der Musen. Auch der steingewordene Geist des Schlosses Monrepos, von den wagenlenkenden Mosaikidolen bis zur kleinen, kühlen Göttin, an der er selten vorbeikam, ohne sie verstohlen mit den Augen zu streicheln, erschien ihm als sicherer Beleg für seine schwärmerische Auffassung. Da hatte Politik etwas von der Würde personifizierter Ideen, wie er sie in den zeitlosen Schriften Platons, Kants oder Hegels zu verspüren meinte; deren gänzliches Fehlen in vielen plumpen Parteiprogrammen er, andererseits, um so schmerzhafter empfand.
Doch ließ man ihn nicht lang so träumen. Bertsch wollte die Kabinettsvorlage sehen. Bauer hatte sich krank gemeldet, seine Ausbootung in Sachen Landesjubiläum spielte wohl eine Rolle dabei. Niemand half dem Assessor; der Apparat zeigte seine Krallen. Mit Himmelsstürmern hatte man Erfahrung – früher oder später landeten sie doch auf dem Bauch.
Den ersten, schwungvoll aufgesetzten Entwurf strich Bertsch kommentarlos Seite für Seite durch. Dann ließ er Gundelach kommen und fragte ihn, ob er von allen guten Geistern verlassen wäre. Ob er sich überhaupt erkundigt hätte, wie eine solche Vorlage zu fertigen sei. Da könne nicht jeder daherfantasieren, wie es ihm gerade in den Sinn komme. Es gebe strenge formale Regeln, an die sich auch ein Herr Gundelach zu halten habe. Vorweg der Beschlußvorschlag. Eine Regierung sei kein Debattierclub, auch wenn es manchmal so scheine, eine Regierung sei ein Beschlußorgan, jedenfalls eine christdemokratische. Dann wolle man wissen, in aller Kürze, worum es gehe. Und was es koste. Und ob die Vorlage mit allen berührten Ressorts abgestimmt sei. Ein formgerechtes Anschreiben an die Minister, in dreizehnfacher Ausfertigung, gehöre auch dazu. Gundelach möge schleunigst Dr. Zwiesel aufsuchen und sich beraten lassen. Und mit der Haushaltsabteilung die Frage klären, ob das Finanzministerium um Bewilligung überplanmäßiger Mittel gebeten werden müsse. Und die Landespolitische Abteilung und die Grundsatzabteilung um Mitzeichnung bitten. Und übermorgen um zwölf habe er, Bertsch, eine korrekte Fassung der Kabinettsvorlage auf dem Tisch oder er werde äußerst ungemütlich.
Zerschmettert schlich Gundelach aus dem Zimmer. Das schmale, zufriedene Lächeln seines Abteilungsleiters sah er nicht mehr.
Die nächsten sechsunddreißig Stunden waren ein einziges Spießrutenlaufen. Überall mußte Gundelach um Hilfe bitten, um schnelle, unverzügliche Hilfe. Die bekam er, aber nicht umsonst. Dr. Zwiesel wollte partout den mit Pauken und Trompeten durchgefallenen Entwurf sehen, angeblich um zu retten, was zu retten wäre. Dann blätterte er aber nur in dem Skript herum, schmunzelte belustigt und mit spitzem Mäulchen wie ein Hamster und zog anschließend eine ›Allgemeine Verwaltungsanordnung zur Erstellung von Kabinettsvorlagen‹ aus der Schublade. Da stehe alles Notwendige drin, sagte er. Mehr könne er auch nicht tun.
Der Haushaltsreferent Gonsdahl, Gundelachs nächste Anlaufstation, schlug die Hände überm Kopf zusammen. An Verrücktheiten der Pressefritzen sei er ja gewöhnt, meinte er, aber das hier setze allem die Krone auf. Ob Gundelach die Millionen lieber im Koffer oder in der Tüte wolle. Und ob er eigentlich wisse, was ein Haushaltsplan wäre und daß für 1977 die Verhandlungen zwischen dem Finanzministerium und den Ressorts längst gelaufen seien.
Da erwachte in Gundelach ein wilder, verzweifelter Zorn, er schrie: Breisinger will es aber so! – und plötzlich zeigte Gonsdahl sportlichen Ehrgeiz, das Unmögliche doch noch möglich zu machen. Nach zwei Stunden Hin- und Hertelefonierens hatte er die Zusage des Finanzministeriums, daß Gundelachs künftige
Weitere Kostenlose Bücher