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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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winkte dem wie ein Ährenfeld wogenden Publikum mit großer Geste zu und murmelte entrückt:
    Großartig, wirklich ganz großartig!
    Assessor Gundelach blickte derweil verträumt aus dem Fenster auf die kleiner und gesichtslos werdende Schar zurück und dachte: So ist das – ihr seid draußen, ich bin drinnen. Ein Gefühl tiefer Befriedigung durchströmte ihn.
    Lehrstunden
    Woher das Gerücht kam – der Himmel mochte es wissen. Jedenfalls war es in der Welt. Breisinger, hieß es, habe den Herrn Gundelach als ›große Hoffnung‹ bezeichnet. Das kam nicht oft vor und machte schnell die Runde. Gundelach selbst erfuhr es von Andreas Kurz, der ihn, als sie in der Kantine hintereinander anstanden, darauf ansprach:
    Die Sonne des Herrn ruht ja jetzt voll auf Ihnen!
    Wieso?
    Ach, fragen Sie doch nicht so scheinheilig!
    Dann kam es, das mit der großen Hoffnung. Gundelach weigerte sich, es zu glauben. Ein Ministerpräsident, sagte er, hat gar nicht die Zeit, sich über derartige Quisquilien Gedanken zu machen. Im nächsten Moment wunderte er sich über den geschraubten Ausdruck, den er gebraucht hatte.
    Ivanka, die Küchenhilfe, klatschte mit dem großen Schöpflöffel das Essen auf seinen Teller und sagte: Müssen sich bei Chef beschweren, wenn Ihnen Speisplan nicht paßt!
    Das einfache Volk versteht Sie schon nicht mehr, bemerkte Amtmann Kurz. Da haben Sie’s.
    Auch wenn Gundelach, weniger aus Bescheidenheit denn aus Furcht, gute Nachrichten könnten schlechte nach sich ziehen, das Lob nicht zu stark in sich aufzusaugen trachtete – los wurde er es fortan nicht mehr. Es stak in seinem Kopf und wirkte unablässig als Ansporn, sich politisch gründlicher zu bilden als andere. Wenn man denn wirklich ›ganz oben‹ besondere Erwartungen in ihn setzte, so wollte er keinesfalls dahinter zurückbleiben. Deshalb versah er sich allabendlich mit Lektüre, deren Kenntnis ihm unerläßlich schien, um politische Diskussionen mit Bravour bestehen zu können.
    Der Lesestoff, den er sich beim Schein der Schreibtischlampe zuführte, war abenteuerlich bunt gemischt. Das vierjährige Arbeitsprogramm der Landesregierung mit über tausend Einzelmaßnahmen gehörte ebenso dazu wie Entwicklungs- und Förderprogramme, Strukturberichte, Zielplanungen und was ihm sonst bedeutsam erschien. Durch unendlich zähe, über Jahre hinweg fast wortgleiche parteipolitische Grundsatzprogramme wühlte er sich und ahnte – was ihm später zur leidvoll erlebten Gewißheit wurde –, daß der Auftrag, Wegweisungen fürs Parteivolk zu schreiben, meist fleißigen jungen Referenten der Staatskanzlei übertragen wird, die sich dieser Fron schnellstmöglich dadurch entledigen, daß sie Parteiprogramme früherer Jahre, an die sich niemand mehr erinnert, abschreiben.
    Aus der Bücherei beschaffte er sich, was an philosophischen Texten verfügbar war: Platons ›Der Staat‹, Kants ›Kritik der reinen Vernunft‹ und merkwürdigerweise auch Heideggers ›Holzwege‹. Professor Mohrbrunners Schriften dagegen fehlten, und die Verwalterin fahndete in allen Nachschlagewerken vergebens nach ihnen. Dr. Weis behauptete, Mohrbrunner sei bisher nur mit wissenschaftlichen Veröffentlichungen in Fachzeitschriften hervorgetreten. Doch arbeitete er an einem großen, zusammenfassenden Werk über ›Das Elend der negativen Dialektik‹. Gundelach wagte nicht zu fragen, woher Weis sein Wissen bezog. Der einstige Redakteur und Leitartikler, der immer mal wieder durchblicken ließ, ein Angebot der Frankfurter Allgemeinen zugunsten der Staatskanzlei ausgeschlagen zu haben, galt als enzyklopädisch gebildet, und es verbot sich, daran zu zweifeln. Weis war es auch, der dem jungen Kollegen aus seiner privaten Bibliothek weitere klassische politische Literatur borgte, Tocquevilles ›Erinnerungen‹ etwa und, augenzwinkernd, die ›Discorsi‹ von Machiavelli.
    Die Mischung, sagte er, macht’s.
    Das häufte sich, auf dem Schreibtisch und im Kopf. Aber es bewirkte auch, daß Gundelach in der Referentenrunde, die sich in regelmäßigen Abständen traf, um Redeentwürfen der Fachabteilungen den letzten Schliff zu geben, leidlich passende Zitate beisteuern konnte – was stets dankbar begrüßt wurde, da Breisinger für Festansprachen vorzeigbares Bildungsgut schätzte. Sogar Regierungserklärungen pflegte er mitunter literarisch zu würzen, und als er in einer Haushaltsrede vom Bund mehr Geld wollte, tat er es mit Schiller: ›Da strömet herbei die unendliche Gabe …‹ Er erreichte

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