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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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Aktivitäten, in vernünftigem Rahmen natürlich, notfalls auch aus Pullendorfs Kulturetat bezahlt werden konnten. Beinahe väterlich sagte er: Das beichten wir dem Pullendorf aber erst, wenn Sie seine Mitzeichnung im Sack haben, sonst kriegen Sie die nie!
    In der Nacht diktierte Gundelach die neue Fassung auf Band, bestach morgens das sanftmütige Fräulein Markovic mit einem Frühlingsstrauß, das Manuskript sofort in die Maschine zu schreiben, holte sich nachmittags die erforderlichen Mitzeichnungen, indem er wiederum vorgab, direkt im Auftrag des Ministerpräsidenten zu handeln, überwand sich, Zwiesel Korrektur lesen zu lassen und legte das Werk abends, einen halben Tag früher als gefordert, seinem Abteilungsleiter vor. Der las es flüchtig durch, nickte und unterschrieb.
    An der Sitzung, auf der die veränderte Konzeption des fünfundzwanzigjährigen Staatsjubiläums beraten wurde, durfte er nicht teilnehmen. Hinterher hörte er, daß Breisinger selbst deren Grundzüge vorgetragen und sich das Kabinett seiner Wertung, jetzt weise die Sache eine klare Struktur auf, angeschlossen habe.
    Gundelach beantragte einen Tag Urlaub und verschlief ihn in seiner Zweizimmerwohnung im Dämmer zugezogener Vorhänge.
    Spaziergang im Park
    Juni war es mittlerweile geworden, ein milder, wässriger Juni, der die Vegetation zu heftiger, berstender Entfaltung brachte. Der Park um Monrepos füllte sich mit fremdartigen Düften. Sie strömten aus ungezählten blühenden Sträuchern, mischten sich mit dem Rinden- und Harzgeruch von Kiefern, Fichten und Eiben, tropften herab von den rahmweißen Blütentrauben der Robinien, umhüllten bittersüß den Weißdorn, überwölbten die Laubengänge der Platanen, rankten sich um die Rispen der Eschen, hingen wie ein Schleier im Geäst von Buchen und Akazien, und wenn der Regen zu Boden troff, dampfte und roch es nach Erde, Efeu und hohem dichtem Gras.
    Die Baracke stand in diesem Dickicht wie eine Hütte im Urwald. Das einfallende Licht war dunkler als im Winter und hatte einen moosigen Schimmer.
    Erst daran und an den wechselvollen Duftschwaden, die durch das geöffnete Fenster hereintrieben, bemerkte Gundelach die Veränderung in der Natur. Denn daheim, in der Umgebung seiner Mansarde, gab es keine Bäume, und außerdem war es, wenn er dort anlangte, trotz der frühsommerlich hellen Tage schon dunkel. Morgens entstieg er der Straßenbahn, die hundert Meter von dem lanzettbewehrten Haupteingang entfernt hielt, eilte zur Pforte, strebte auf kürzestem Weg zum Arbeitsplatz und hatte den Kopf voller Pressemitteilungen, Vermerke und Telefonate. Wurde er aber zu einer Besprechung ins Schloß gerufen, registrierte er allenfalls zerstreut, daß Gärtner irgendwo eine frische Blumenrabatte pflanzten und der Springbrunnen im großen Bassin jetzt leise plätscherte.
    Nach der Kabinettssitzung jedoch, für die er so reichlich Lehrgeld bezahlt hatte, und im Bewußtsein, als Geschäftsführer eines vom Ministerpräsidenten eingesetzten Arbeitskreises im Kollegenkreis nun doch schon ein wenig mehr zu gelten, gönnte er sich ein kurzes, entspanntes Zurücklehnen. Und als er die Augen öffnete und nach draußen blickte, gewahrte er verblüfft den grünschimmernden Glanz vor seinem Fenster. Er beschloß, das Kantinenessen ausfallen zu lassen und statt dessen im Park spazieren zu gehen. Obwohl täglich von ihm umgeben, kannte er ihn nicht, und es hatte ihn bisher auch nicht danach verlangt. Nun wollte er es nachholen.
    Der kiesbestreute Weg, den er entlang der Baracke nahm, hörte bereits nach wenigen Schritten auf. Gundelach lief auf einer weichen, von Erde, Nadeln und vorjährigen Blättern gepolsterten Matte. Die Luft war kühl, das Licht trotz der Mittagszeit gedämpft. Wilde Brombeerranken umschlangen das Gebüsch seitlich des Weges, einige Sträucher, deren Namen er nicht kannte, trugen bereits Früchte. Über ihm, im Wipfel einer Kiefer, zeterte ein Vogel. Darüber trieben Wolken.
    Alsbald teilte sich der Pfad. Bergauf schien es in Richtung des stählernen Neubaus zu gehen – eine nützliche Abkürzung vielleicht, wenn Mitarbeiter der Pressestelle bei Pullendorfs oder Brendels Abteilung Dringendes zu erledigen hatten. Gundelach aber hatte es ausnahmsweise nicht eilig. Den Faltenwurf des Waldes, in den er gerade erst begonnen hatte sich einzuhüllen, wollte er nicht schon wieder loslassen. Also lief er geradeaus weiter, einer kaum mehr wahrnehmbaren Spur folgend, in sachter Neigung den Hang hinab;

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