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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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nach langem Drängen der anverwandtschaftlichen Einladung gefolgt war, verstärkte den Chor mit resoluter Altstimme.
    Es war harmonisch und auf entspannende Art langweilig. Der Gang zur Christmette fehlte nicht und die mit Bratäpfeln und Maronen gefüllte Gans auch nicht. Selbst das Tranchieren des Vogels geriet wie früher zur Staatsaktion, wenn dem Vater feine Zornesröte über die hausfraulichen Ratschläge der Mutter auf die Stirn trat. Nach dem Essen dann der Spaziergang oder ein Mittagsschlaf. Heike fühlte sich nicht wohl und legte sich auf die Wohnzimmercouch, auf der sie auch nächtigte.
    Bernhard schlief wieder in seinem Zimmer. Er wachte während der Nacht kein einziges Mal auf. Die Jugendtraum-Requisiten blieben stumm und leblos. Heike hörte ihren Mann durch zwei Türen schnarchen. Lange lag sie wach und horchte in sich hinein. Die Tante logierte in einem Hotel Garni.
    Eigentlich wollten sie nach den Festtagen noch in die Schweiz zum Skifahren. Aber daraus wurde nichts. Heike klagte über Schwindel und Übelkeit. Es zog sie nach Hause. Dort, im Sessel kauernd, den grobmaschigen Pullover fröstelnd bis über die Knie gezogen, sprach sie zum ersten Mal von ihrer Vermutung.
    Möglicherweise , sagte sie, bin ich schwanger. Sie müsse schleunigst zum Arzt, um Gewißheit zu haben. So, wie sie es sagte, stimmte es nicht ganz. Keine Sekunde zweifelte sie mehr. Aber sie wollte ihrem Mann Zeit lassen, sich an den Gedanken zu gewöhnen.
    Bernhard Gundelach reagierte nach Männerart. Im ersten Schreck versuchte er, das Faktum wegzudiskutieren, beim zweiten dachte er an die Folgen. War sie wirklich sicher, vor zwei Monaten die Pille mal vergessen zu haben? Und wann, genau, sollte denn das gewesen sein? Und selbst wenn: eine einzige kleine Nachlässigkeit konnte doch kaum ausreichen, um gleich schwanger zu werden! Das war doch ganz unwahrscheinlich!
    Er redete, bohrte und dozierte, sie hörte mit wachsender Erbitterung zu. Schließlich rief sie: Mein Gott, du hättest Lehrer werden sollen oder Staatsanwalt! und lief hinaus.
    Ihm war klar, daß er versagt hatte. In solchen Fällen nimmt ein Mann seine Frau in den Arm. Wenn schon nicht jubelnd, dann wenigstens so, daß ihr Schutzbedürfnis befriedigt wird. Das weiß man und richtet sich danach. Du weißt doch sonst immer alles.
    Aber die Folgen! Heike mußte aufhören zu arbeiten. Ein Gehalt fiel weg. Specht hätte im familienpolitischen Teil seiner Standardrede gesagt: Als Doppelverdiener ohne Kinder reicht der Gehalt, um dreimal im Jahr Urlaub im Süden zu machen, wenn aber ein Kind kommt und die Frau sich entschließt, nur noch Mutter zu sein, ist nicht mal mehr eine Woche Bayrischer Wald drin und die Ansichtskarten von Teneriffa kommen von denen, die drauf vertrauen, daß andere für sie im Alter die Rente zahlen. Recht hatte er, und auch Gundelach schrieb es in jede gesellschaftspolitische Rede rein, nur nützte das jetzt nichts. Die Schweiz rückte in weite Ferne. Eine größere Wohnung würde auch bald fällig werden. Und jede Menge Ausgaben.
    Also, das mindeste, was er verlangen mußte, war, schnellstens zum Oberregierungsrat befördert zu werden. Er mußte sich sofort bei der Personalabteilung erkundigen, wann seine Wartefrist ablief. Und dann Druck machen, bei Wiener, notfalls auch direkt bei Specht. Vielleicht gab es sogar Tricks, um die Wartezeit abzukürzen. Wenn die Personalfritzen nur wollten, brachten sie alles zuwege. Sich selbst beförderten sie ja auch dauernd.
    Er zählte, rechnete und verhandelte. Das Kind, um das es ging, blieb ein Abstraktum.
    Als Heike endlich wieder aus dem Bad herauskam, blaß und mit rotgeränderten Augen, stürzte Gundelach auf sie zu, die Arme wie Flügel ausgebreitet. Ein riesiger Käfer im Landeanflug auf seine geknickte Blume. Verstört ließ sie es geschehen.
    Freust du dich wenigstens ein bißchen? fragte sie leise. Noch nie hatte er sie so schwach erlebt. Die überlegene, spöttische Heike Blank, die den Blick geradewegs stehen lassen konnte, so daß man es nicht mehr aushielt und wegsehen mußte: das war einmal.
    Das Kind, dachte er, macht sie schutzlos. Vielleicht war das ja sogar ihre Absicht gewesen. Vielleicht hatte sie eines Abends oder Morgens beschlossen, die aufdringlichen Begleiter ihres ehegeschäftlichen Tagesablaufs einfach zu ignorieren.
    Sie würde es ihm nie verraten.
    Aber kam es darauf überhaupt an?
    Natürlich freue ich mich, sagte Gundelach. Ich liebe dich. Und schloß endlich die Arme um seine

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