Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf
sein. Ich wünschte mir zudem mehr Zeit zum Schreiben. Und – schwups – fanden wir uns in den französischen Pyrenäen wieder, als stolze Besitzer einer kleinen Pension. Zeit zum Schreiben? Fehlanzeige. Aber das ist eine ganz andere Geschichte ...
Wie ich mich eines Tages in den französischen Pyrenäen wiederfand
Es ist dunkel. So ein Winter, in dem einen die ländliche Dunkelheit beim leisesten Geräusch zusammenzucken lässt. Das massive Steingebäude vor mir schluckt das Licht der wenigen Straßenlaternen an der kleinen Landstraße, und das Rauschen des Wassers, das durch das Wehr stürzt, ist ohrenbetäubend.
Der Schlüssel. Riesig. Eines dieser silberfarbenen Dinger voller Schrammen und Kerben und riesigen metallischen Zähnen. Nicht gerade die Sorte, die gut in eine Tasche passt. Als meine blind tastenden Hände endlich das Schlüsselloch gefunden haben, gleitet der Schlüssel ins Schloss, dreht sich mit einem ächzenden Geräusch – und dann sind wir drin. Die ersten Schritte in unser neues Zuhause.
Da stehen wir nun, lassen die hölzernen Konturen von Tischen und Stühlen auf uns wirken sowie das Büfett, das eine ganze Wand einnimmt, und die zwei riesigen Bogenfenster. In dem Moment klingelt das Telefon.
Wir streiten, wer von uns beiden rangehen soll. Wir versuchen einander mit süßen Versprechungen zu bestechen. Drohen einander mit Strafarbeiten. Schließlich gewinnt Marc, mein Mann.
»Bonjour?«, sage ich vorsichtig und spüre, wie mir der Schweiß ausbricht, während es wie wild auf Französisch aus dem Hörer sprudelt.
Was für ein Tempo! Nicht zu vergleichen mit den Lernkassetten aus meinen Schultagen. Der Anrufer scheint nicht einmal Luft zu holen. Es gelingt mir, ihn zu unterbrechen, und ich erkläre in abgehackten Sätzen, die ich aus dem Google-Übersetzungsprogramm habe, dass das Hotel wegen Renovierungsarbeiten bis zum Frühjahr geschlossen bleibt.
Ich habe keinen Schimmer, was der Anrufer wollte, geschweige denn, wer er war. Und ich frage mich, wie wir das alles nur hinkriegen sollen.
Wir hatten beide gute Jobs in England. Marc als Ingenieur, ich als Lehrerin für Englisch als Fremdsprache an der Universität von Manchester. Aber dann entschlossen wir uns, alle Sicherheiten über Bord zu werfen und nach Frankreich zu ziehen, wo wir eine Pension betreiben wollten. Die Leute, die halbwegs klaren Verstandes waren, wollten wissen, warum um Himmels willen wir ein so großes Risiko eingehen. Aber die waren auch noch nie in den Ariège-Pyrenäen gewesen, mit ihren steil in die Höhe aufragenden Bergen, ihren fruchtbaren Tälern und eisigen Flüssen.
Das erste Mal waren wir im März 2004 dort, und es war Liebe auf den ersten Blick. Die nach wie vor recht unbekannte Region grenzt unmittelbar an Spanien und Andorra. Üppig grüne Sommer und tief verschneite Winter machen die Gegend vor allen für Outdoor-Aktivisten attraktiv. Außerdem ist die Region extrem geschichtsträchtig. Es gibt kaum jemanden, der sich nicht sofort in sie verliebt.
Neun Monate nach unserem ersten Besuch waren wir Besitzer einer kleinen Pension mit sechs Zimmern, vier Ferienwohnungen und einem Restaurant. Über Nacht wurden wir zu Elektrikern, Stuckateuren, Malern und Innenarchitekten und arbeiteten unermüdlich daran, die Pension zu Saisonbeginn fertig zu haben. Bis der Schnee geschmolzen war, hatten wir unser kleines Unternehmen aufgebaut, einen Buchhalter engagiert, uns in einen Lebensmittelhygiene-Kurs eingeschrieben und uns mit der französischen Bürokratie vertraut gemacht. Und all das in einer Sprache, die zu durchblicken uns nach wie vor schwerfiel.
In den darauffolgenden Jahren wuchs unser kleines Unternehmen stetig, und unser Alltag veränderte sich mit ihm. In der Nachsaison gab es statt eines schnellen Sandwichs am Schreibtisch ein ausgedehntes Mittagessen auf der Terrasse neben dem Fluss, mit frischem Brot von der Bergbäckerei, lokaler Paté und einem Glas Wein. Im Winter machten wir uns einen sonnigen Tag zunutze, um Holz für den Kamin zu hacken – eine willkommene Abwechslung zur Bearbeitung der üblichen Buchungsanfragen. Und im Frühling konnten wir uns spontan auf die Räder schwingen, ohne jemanden um Erlaubnis fragen zu müssen außer uns selbst.
Nicht dass mich jemand falsch versteht – im Sommer wartete harte Arbeit bis in die späten Abendstunden auf uns, aber nach dem ersten Jahr brachte er auch vertraute Gesichter, Gäste, die immer wieder zu uns kamen, bis sie schließlich zu
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