Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Titel: Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Stagg
Vom Netzwerk:
angestellt hatte, aber sie war sich ziemlich sicher, den Schuldigen gefunden zu haben.
    »Nun, vielleicht solltest du dich nicht so nahe davorsetzen«, erwiderte Josette, die den Bürgermeister und den Geruch, den er von sich gab, mit einem Mal zu seinem eigenen Schutz aus ihrer Bar heraushaben wollte. »Bist du dir auch ganz sicher, dass ich nicht etwas Salbe drauftun soll?«
    Der Bürgermeister starrte sie wütend an, griff nach seinem Handy und den Überresten seines Portemonnaies und ging in den Laden hinüber, um seine Einkäufe zu holen. Dann verschwand er, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, zur Tür hinaus. Er ging wie John Wayne, als er auf seinen Wagen zustrebte. Als er sich vorsichtig auf den Sitz schob und dabei eine Grimasse schnitt, begann Josette zu lachen. Und sie lachte und lachte und lachte, umklammerte ihre Rippen und hielt erst inne, als sie Atem schöpfen musste.
    Jacques stand neben ihr und lachte auch. Es war wie in alten Zeiten. Sie hatte sich seit einer Ewigkeit nicht mehr so gut gefühlt.

Kapitel 5
    Als der Schulbus der Gemeinde am späten Nachmittag in die Haltebucht gegenüber der Auberge einbog, fiel Chloé ein Stein vom Herzen. Es war jeden Tag während der elenden Schulwoche das Gleiche. Was nicht etwa daran lag, dass sie dumm war oder nicht mit den Anforderungen der kleinen Schule in Sarrat klarkam, die oben am Hang auf der anderen Seite des Flusses thronte. Weit gefehlt! Sehr zum Leidwesen von Madame Soum war Chloé trotz ihrer Angewohnheit, aus dem Fenster zu starren und sich ihren Tagträumen hinzugeben, regelmäßig Klassenbeste.
    Nein, es lag nicht daran, dass sie den Lernstoff nicht bewältigen konnte. Der Grund war schlichtweg der, dass sie nun einmal nicht dafür geschaffen war, für längere Zeit zwischen vier Wänden eingesperrt zu sein.
    Die frühmorgendlichen Unterrichtsstunden begann Chloé immer mit guten Absichten. Sie war wild entschlossen, sich zu konzentrieren und den scharfgeschnittenen Gesichtszügen von Madame Soum mindestens ein Lächeln zu entlocken. Aber wenn der Morgen voranschritt und der Unterricht sich immer länger hinzog, wanderten Chloés Blicke unweigerlich zu den Fenstern hinüber und zu den hohen Bergen an der Grenze zu Spanien. An einem klaren Tag standen sie majestätisch da, oftmals mit Schnee bedeckt,und ihre Umrisse zeichneten sich scharf am blauen Himmel ab. An wolkigen Tagen waren sie kaum zu erkennen, und nur undeutliche Schatten wiesen auf ihre Existenz hin. Und an den seltenen Tage, wenn sie gar nicht zu sehen waren, gab sich Chloé damit zufrieden, so zu tun, als wäre die graue Decke des Himmels die Plane des Zirkuszelts, und in ihrer Phantasie drehte und überschlug sie sich inmitten der Wolken hoch über den Tälern, während ihr Körper an einen Schreibtisch gefesselt und in einem Klassenzimmer eingesperrt war, das viel zu klein für sie war.
    Bis dann auch ihr Geist durch das energische Klopfen eines Lineals auf ihrem Tisch und das gereizte »Na, na!« der Lehrerin unweigerlich wieder auf den Boden der Tatsachen und in die tristen Wände zurückgeholt wurde, die sie umgaben. Und so vergrub Chloé ihren Kopf in den Büchern und fing an, die quälenden Stunden bis zum Unterrichtsende rückwärts bis null zu zählen.
    Heute, nach einem besonders langweiligen Tag, an dem Madame Soum rekordverdächtige sieben Mal mit dem Lineal auf Chloés Schreibtisch geklopft, zwölf Mal »Na, na!« von sich gegeben und ihr eine mündliche Verwarnung erteilt hatte, war sie endlich frei. Auch wenn die Lehrerin ihr zusätzliche Hausaufgaben aufgebrummt hatte, nachdem Chloé zu erklären versucht hatte, dass ihre Unaufmerksamkeit nichts mit den Fähigkeiten der Lehrerin zu tun habe, sondern lediglich damit zusammenhing, dass der Mont Valier in der Wintersonne so wunderschön aussah. Aus irgendeinem Grund hatte das Madame Soum nur noch wütender gemacht. Chloé schüttelte die Erinnerung daran ab und sprang mit einem Hauch von Mitleid für die Handvoll Schüler, die noch den ganzen Weg nach Fogas hinauf durchstehen mussten, hinter den Rogalle-Zwillingen und Gerard Lourde aus dem Bus. Sie drehte sich um, um ihnenzum Abschied zuzuwinken, und bemerkte dabei einen riesigen Lkw, der vor der Auberge stand. Während sie ihn musterte, erwachte sein Motor zum Leben, und er fuhr davon, ins Tal hinunter Richtung St. Girons.
    Der Lkw schien auch Mamans Aufmerksamkeit geweckt zu haben, die dastand und mit ihrer Nachbarin, Annie Estaque, plauderte. Als Annie sah, dass

Weitere Kostenlose Bücher