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Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Titel: Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Stagg
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deine Mutter hätte angerufen, dass du dich verspätest, und sie gebeten, Josette zur Versammlung zu fahren.«
    Nun war Christian an der Reihe, sie verwundert anzusehen.
    »Maman hat Fatima angerufen? Sie kann die Frau doch gar nicht ausstehen.« Er kratzte sich am Kopf, zog sein Handy hervor und stieß einen Fluch aus. Er hatte wieder einmal vergessen, es einzuschalten, also war es möglich, dass er einige Anrufe verpasst hatte.
    »Komisch«, murmelte er, während er das Telefon einschaltete und es wieder in seine Jackentasche steckte. »Dassieht Fatima gar nicht ähnlich, jemandem einen Gefallen zu tun.«
    »Kommt dir das denn ungelegen?«
    »Na ja, ich hatte gehofft, auf der Fahrt noch einiges mit Josette besprechen zu können. Wegen der Abstimmung, weißt du?« Christian schaute auf seine Uhr und wandte sich zur Tür. »Verdammt, ich werde wohl versuchen müssen, sie vor dem Beginn der Versammlung noch zu erwischen. Bis später.«
    Die Tür fiel scheppernd hinter ihm ins Schloss, und der Panda brauste davon. Dann war Véronique wieder allein im Laden. Das heißt, abgesehen von Jacques, der auf dem Kühlschrank saß und den ganzen Wortwechsel mitbekommen hatte. Er rutschte verstohlen zu Boden, während Véronique wieder ihr Buch hervorholte und es auf die Glastheke zurücklegte, was Jacques zusammenzucken ließ. Sie öffnete es an der Stelle mit dem Absatz, der ihr Schwierigkeiten bereitet hatte, stützte ihren Kopf auf die Hände und vertiefte sich von neuem darin.
    Jacques glitt unbemerkt durch den Raum, hockte sich vor der Theke auf den Boden und versuchte, den Titel der dicken Schwarte durch das Glas zu lesen. Er konnte einen Mann mit einem buschigen weißen Bart auf dem Umschlag erkennen, der haargenau wie ein Heiliger aussah, aber er vermochte den Titel nicht zu entziffern. Nicht aus dieser Entfernung und nicht ohne seine Lesebrille auf der Nase. Gerade als er sich mit leise knackenden Gelenken aufrichten wollte, verlor Véronique endgültig die Geduld mit dem Buch, knallte es zu und erschreckte Jacques damit so sehr, dass er unwillkürlich nach dem Glaskasten griff, um sich daran festzuhalten. Er ließ seine kostbare Messervitrine schnell wieder los, bevor seine Hand irgendwelche Spuren hinterlassen konnte, holte tief Luft und reckte den Hals,um besser sehen zu können, was Véronique da solchen Kummer bereitete.
    Er las den Titel, runzelte die Stirn, las ihn erneut. Und dann begann er zu lachen. Lautlos natürlich.
    »Die Lehren von Karl Marx gemeinverständlich dargestellt!« Véronique schnaubte verächtlich. »Von wegen verständlich! Da hätte ich’s auch auf Chinesisch lesen können!«
    Sie seufzte, öffnete das Buch schicksalsergeben wieder und arbeitete sich mit dem Finger mühselig die Seite hinunter. Jacques beobachtete sie, das Gesicht vor lauter Konzentration ernst dreinblickend, während ihre linke Hand ständig mit dem silbernen Kreuz um ihren Hals spielte, als wollte sie sich dort den nötigen Rückhalt holen.
    Véronique, die Stütze der Kirche in der Gemeinde von Fogas, las kommunistische Philosophie. War denn das die Möglichkeit? Er schlenderte zur Vorderseite des Ladens und hüpfte wieder auf den Kühlschrank, während er in Gedanken zu der viel größeren Frage zurückkehrte, die ihn beschäftigte, seit Josette zu dieser Versammlung abgeholt worden war.
    Was mochte Fatima wohl im Schilde führen?
    Josette fühlte sich sehr unbehaglich. Aus irgendeinem Grund benahm sich Fatima Souquet ihr gegenüber ausgesprochen zuvorkommend, was einfach nicht normal war. Es war schon schlimm genug, dass sie auf der gewundenen Straße von La Rivière nach Fogas die nervöse Fahrweise der Frau hatte ertragen müssen – Fatima war jedes Mal in Panik geraten, wenn ihr ein Wagen entgegenkam, und so nah an den Rand ausgewichen, dass Josette schon befürchtete, sie würden in die Tiefe stürzen –, aber zuhören zu müssen, wie sie ununterbrochen über ihre wundervolle Familie undihren ach so perfekten Mann plapperte, ging ihr langsam wirklich auf die Nerven. Deshalb war sie geradezu erleichtert, als der Bürgermeister alle zur Ordnung rief. Aber wo steckte nur Christian?
    » Bonsoir! Entschuldigt die Verspätung.« Christian kam in den Versammlungsraum gestürzt, als die Leute gerade ihre Plätze einnahmen, und versuchte Josette über die Köpfe der anderen hinweg zu bedeuten, ihm den Platz an ihrer Seite freizuhalten. Doch bevor er zu ihr gelangen konnte, zog ihn der Bürgermeister zu einem

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