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Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Titel: Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Stagg
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Privatgespräch zur Seite, und Pascal Souquets Cousine, Geneviève, hatte sich neben Josette gesetzt.
    » Bonsoir, Josette. Wie geht’s dir?«, fragte sie von ihren toulousischen Höhen herab.
    »Danke, gut«, erwiderte Josette automatisch, ihre Aufmerksamkeit auf Christian und den Bürgermeister gerichtet. Mehrere Male schien es, als wollte sich Christian abwenden, doch dann stellte ihm der Bürgermeister eine weitere Frage oder schnitt ein anderes Thema an und hielt ihn damit an seiner Seite.
    »Es wäre wirklich schön, wenn wir mal langsam anfangen könnten«, rief Geneviève mit leicht gereizter Stimme und blickte dabei ostentativ auf ihre Uhr, als beeinträchtige ihre Teilnahme an der Versammlung in nicht unerheblichem Maße ihren Kurzurlaub in den Bergen.
    Ihrem Wunsch wurde entsprochen, als René Piquemal schrie: »Wird das hier heute noch was? Ein paar von uns freuen sich nämlich auf ein warmes Abendessen zu Hause!«
    »Außer Christian!«, witzelte Alain Rougé zur Erheiterung aller.
    Christian quittierte den Scherz mit einem fatalistischen Grinsen und nutzte die aufgelockerte Atmosphäre, um dem Bürgermeister zu entkommen und sich in Josettes Richtungaufzumachen. Als er gerade realisierte, dass der Platz neben ihr besetzt war, begann sein Handy in der Jackentasche zu läuten. Er hob entschuldigend die Hand und schritt auf den Ausgang zu. Als er die Tür öffnete, stolperte ein atemloser, lehmverschmierter Bernard Mirouze in den Raum, dem hier und da Brombeergestrüpp an der Hose hing. Doch Christian bemerkte das ungewöhnliche Erscheinungsbild des cantonnier gar nicht. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, die Stimme des Anrufers zu verstehen.
    Als sich die Tür hinter Christian schloss, bemerkte der Rest des Gemeinderats Bernard zum ersten Mal.
    »Was in aller Welt ist denn mit dir passiert?«, fragte Monique Sentenac, als Bernard auf den ersten freien Stuhl zutaumelte, dessen Beine unter dem plötzlich herabplumpsenden Gewicht zu knarren begannen.
    »Hast du dich mit einem Wildschwein angelegt?«, juxte Alain.
    »Du solltest mal das Wildschwein sehen!«
    »Wieso, trägt es deine Baskenmütze?«
    »Ja, Bernard, wo ist deine Baskenmütze?«
    Die Ausgelassenheit wollte nicht enden. Selbst Pascal, der für gewöhnlich so herablassend dreinblickte, konnte sich ein kleines spöttisches Grinsen nicht verkneifen. Der Bürgermeister lachte allerdings nicht. Er starrte seinen cantonnier gespannt an, und Josette war fast überzeugt, dass zwischen den beiden irgendetwas im Gange war, denn sie meinte so etwas wie ein Nicken bei Bernard gesehen zu haben. Auf jeden Fall wirkte der Bürgermeister auf einmal wie elektrisiert, klatschte in die Hände und rief zur Ordnung. Er las gerade die Punkte der Tagesordnung vor, als die Tür aufging und ein kreidebleicher Christian den Kopf in den Raum steckte.
    »Tut mir leid. Ich muss weg. Sarko ist mal wieder ausgebüxt,und Papa kann ihn nicht finden. Er meint, er könnte über den Rand des alten Steinbruchs gefallen sein.« Er warf Josette einen Blick zu. »Du weißt, wie ich stimmen will, Josette.«
    Und damit war er verschwunden und hinterließ ein leises, beunruhigtes Gemurmel im Raum, der mit Menschen gefüllt war, die Christians Furcht nur zu gut nachvollziehen konnten. Dass der Stier in den Steinbruch gefallen sein und sich ein Bein gebrochen haben könnte, war nur eine Möglichkeit. Ebenso schlimm war die Gefahr, dass sich das massige Tier auf eine Straße verirrt und einen Unfall verursacht hatte. Das war ein Szenario, mit dem sich kein Landwirt konfrontiert sehen wollte, da es den finanziellen Ruin bedeuten konnte.
    Der Bürgermeister erhob sich, und es wurde still im Raum. »Angesichts von Christians misslicher Lage«, begann er mit ernstem Gesicht, »schlage ich vor, dass wir uns am heutigen Abend lediglich auf solche Angelegenheiten konzentrieren, die von größerer Bedeutung sind, und dann im neuen Jahr eine Versammlung ansetzen. Es wird das Beste sein, wenn wir heute früher Schluss machen und Christian dabei helfen, seinen Stier wiederzufinden.«
    »Ausgezeichnete Idee!«, rief Alain, und alle Anwesenden nickten zustimmend und beklatschten den Kameradschaftsgeist des Bürgermeisters. Alle bis auf Geneviève Souquet, die vor sich hin brummte, dass sie es nicht einsehe, ein weiteres Mal von Toulouse herzureisen, bloß weil irgendein Bauer zu blöd war, mit seinem Stier fertigzuwerden. Zu ihrem Glück war Josette die Einzige, die ihr Lamentieren hören konnte,

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