Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf
Seite des Transporters, was Christian aufschrecken ließ und in die kalte Nacht zurückholte. Er steckte den Fetzen in seine Jackentasche, schloss die Seitentür und kletterte ins Führerhaus.
Es würde ihm schon noch einfallen. Es war ja Zeit genug. Im Augenblick brauchte er dringend etwas zu trinken undzu essen. Er war so hungrig, dass er sogar bereit war, eine von seiner Mutter zubereitete Mahlzeit zu riskieren.
Der Transporter rumpelte davon, und die Wälder, in denen sich Sarko versteckt hatte, versanken wieder in Dunkelheit, als die ersten Schneeflocken zu fallen begannen. Sie schwebten durch die nackten Zweige der Bäume in Richtung Erde, blieben an Felsbrocken hängen und bedeckten die umgestürzten Baumstämme und das Laub, bis der Waldboden zu einer riesigen weißen Fläche geworden war, nur hier und da durchbrochen von einem orangefarbenen Farbtupfer, wo Stofffetzen unter einer zerlöcherten Esche verstreut lagen. Am Ende würden auch sie bedeckt sein.
Kapitel 9
Nachdem es zwei Tage ununterbrochen geschneit hatte, befand sich die Gemeinde in einem Ausnahmezustand. Die höheren Gebirgsstraßen waren unpassierbar, in allen drei Dörfern war der Strom ausgefallen, die meisten Telefone waren tot, und die Stille des schneebedeckten Waldes wurde immer noch regelmäßig durch das Krachen umfallender Bäume durchbrochen. Es war der schlimmste Schneesturm, den Serge Papon jemals erlebt hatte. Und er war überzeugt, dass es wohl der letzte sein würde, den seine Frau jemals erleben würde.
Er starrte aus seinem Bürofenster im Rathaus auf die wirbelnden Flocken hinaus und versuchte ihnen zu folgen, während sie vor seinen Augen tanzten und ihn immer tiefer und tiefer in ihre schwarz-weiße Welt hineinzogen, bis er das Gefühl hatte, als drehe sich alles in seinem Kopf, sodass er sich an der Fensterbank festhalten musste, um nicht umzufallen.
Der scharfe Klang von Metall, das klirrend gegen Metall stieß, brach den Zauber, und Serge riss seinen Blick von dem Schneegestöber los und blickte auf den Parkplatz hinunter, wo eine junge Frau am Vorderrad eines kleinen gelben Autos hockte.
Die neue Briefträgerin.
Serge knurrte, als er zusah, wie sie einen Satz Schneeketten auf den Boden neben das Rad legte und dann die Bedienungsanleitung zu Rate zog.
Typisch! Sie hatte keine Ahnung, wie man die Dinger anlegte. Was um alles in der Welt hatte sich La Poste nur dabei gedacht, einem solch schmächtigen Ding diese Stelle zu übertragen? Das war Männerarbeit!
Seit Ives Rogalle vor zwei Jahren in Rente gegangen war, hatte die Gemeinde eine ganze Reihe von Briefträgerinnen und Briefträgern erdulden müssen, von denen keiner lange durchgehalten hatte, da die Route anstrengend und die Bezahlung jämmerlich war. Es ärgerte Serge maßlos, dass es ihm, obwohl er mehrere Briefe in amtlicher Funktion losgeschickt hatte, nicht gelungen war, Abhilfe zu schaffen.
Von wegen Fortschritt! Er zerfraß das Herz dieser Gemeinde.
Monsieur Mené, der Briefträger aus seinen Kindertagen, hatte die Route den Berg rauf wie runter ausnahmslos jeden Tag zurückgelegt. Ohne Auto. Ohne Schneeketten. Und nur unter außergewöhnlichen Umständen mit Schneeschuhen. Und es hatte nichts in der Gemeinde gegeben, worüber er nicht Bescheid wusste. Dann hatte La Poste das Motorrad eingeführt und später das Auto, und schließlich war die Beziehung zwischen Briefträger und Kunden zerbrochen; zurückgeblieben war zwar ein schnellerer Dienst, der aber die menschliche Note vermissen ließ.
Und statt einer Plauderei bei einer Tasse Kaffee oder etwas Stärkerem war es wahrscheinlicher, dass die älteren Leute, die allein in den Bergen lebten, lediglich einen flüchtigen Blick auf ein davonfahrendes gelbes Auto erhaschten, wenn ihre Post zugestellt wurde. Abgesehen vom Jahresende, wenn die Briefträgerinnen und Briefträger versuchten, ihre heißgeliebten Kalender zu verkaufen! Serge hatteniemals Einwände erhoben, Yves als Dank für seine harte Arbeit einen Kalender abzukaufen, den er eigentlich gar nicht benötigte. Aber neuerdings erkannte er die Gesichter über der Uniform nicht einmal mehr, wenn die Postler anklingelten, um sich ihr Weihnachtsgeld abzuholen.
Die Briefträgerin las immer noch in der Bedienungsanleitung, als Pascal auf den Parkplatz marschiert kam. Seine Schneestiefel hinterließen knirschend frische Spuren im Hof, und das leuchtende Lila und Limonengrün seiner Skijacke wirkte neben seiner ledernen Aktentasche fehl am Platz. Er
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