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Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Titel: Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Stagg
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erwiderte die fröhliche Begrüßung der Frau mit einer knappen Entgegnung und stiefelte, ihre Notlage geflissentlich übersehend, geradewegs an ihr vorbei Richtung Eingangshalle.
    Serge schüttelte ungläubig den Kopf. Er vermochte wohl mit dem Hang zur Selbstverliebtheit fertigzuwerden, den sein Stellvertreter an den Tag legte, und auch mit dessen oberflächlichem Wesen. Aber die Gleichgültigkeit, die er gegenüber seinen Mitmenschen zeigte, erzürnte den Bürgermeister. Der gestrige Abend war wieder einmal ein Paradebeispiel dafür gewesen. Alle hatten mit vereinten Kräften versucht, den verschwundenen Stier zu finden, während Pascal Souquet zu Hause saß und sich die Fingernägel manikürte. Als stünde er über ihnen allen. Dabei war er nichts weiter als ein hochverschuldeter Bankrotteur, der es fertiggebracht hatte, alles mit spekulativen Anlagen zu verlieren. Irgendein dämliches Pyramidensystem, das Serge nicht ganz verstand. Er wusste nur, dass Pascal wohl als Penner in einem Pappkarton auf den Champs-Elysées hausen müsste, wenn Fatima nicht ihr Elternhaus im Dorf geerbt hätte. Es gab keine Entschuldigung für sein anmaßendes Verhalten, und Serge packte bei dem Gedanken daran die Fensterbank nur noch fester und schwor sich im Stillen, dass er alles inseiner Macht Stehende tun würde, um zu verhindern, dass dieser Mann der nächste Bürgermeister von Fogas wurde.
    Das hieß, wenn er wegen dieses Mistkerls nicht vorher an einem Herzinfarkt krepieren würde!
    Serge stieß einen Seufzer aus und langte schicksalsergeben nach seinem Mantel. Offensichtlich blieb es an ihm hängen, der Frau mit den Ketten zu helfen, wenn die Post heute wirklich noch verteilt werden sollte. Er schlüpfte mit seinen Armen durch die Ärmel, und als seine knotigen und geschwollenen Hände wieder auftauchten, traf ihn erneut die Erkenntnis, dass er kein junger Mann mehr war. Wahrscheinlich würde es ihm nicht gelingen, die kalten Metallglieder zu handhaben oder sie fest genug zu ziehen, damit sie ordentlichen Halt hatten.
    Er stand da, betrachtete seine nutzlosen Hände und verachtete Pascal nun, da er plötzlich mit seinen eigenen Schwächen konfrontiert war, nur noch mehr. Welch eine Verschwendung, einem solchen Mann Gesundheit zu schenken! Als würde man einem Mutterschaf Klöten verpassen.
    Ein lauter Ruf im Hof unten lockte ihn ans Fenster zurück.
    Bernard. Samt neuer Baskenmütze und mit seinem stolzierenden Gang, der die Damen anlocken sollte, aber sein Hinterteil nur zum Schwabbeln brachte. Serge sah zu, wie er über den Parkplatz auf die junge Frau zuschritt, sich neben sie kniete und sie mit wohlmeinender Herablassung von ihrem Platz verscheuchte.
    Die Frau zuckte mit den Schultern, hob den zweiten Satz Ketten auf und ging um den Wagen herum auf die andere Seite. Nach ein paar Minuten tauchte sie zufrieden dreinblickend wieder auf, während Bernard zum x-ten Mal versuchte, die Ketten einzuhaken, wobei ihm immer wiederdas Metall aus den Händen rutschte und er es als Kettensalat auf der Erde wiederfand. Die Frau grinste und machte eine Bemerkung, die Serge nicht verstand, die Bernard aber offenbar in Verlegenheit brachte und die Kette ein weiteres Mal spannen ließ. Als er dies tat, schaute sie stirnrunzelnd in die Gebrauchsanweisung und hielt sie ihm unter die Nase. Bernard, der seinen Fehler erkannte, fluchte und tat nun zähneknirschend das, was sie ihm vorlas. Und siehe da, innerhalb kurzer Zeit war auch er mit seiner Seite fertig, und die Briefträgerin konnte endlich in ihren Wagen steigen. Als sie davonfuhr, winkte sie ihm zu, ehe sie in dem Schneegestöber verschwand, und Bernard starrte ihr mit einem verwirrten Ausdruck auf dem Gesicht nach, als hätte er gerade eine Begegnung mit einer Außerirdischen gehabt.
    »Trottel und Waschlappen«, murmelte Serge in sich hinein, als er den Mantel an seinen Platz zurückhängte, sich wieder setzte und den Kerosinofen näher an den Schreibtisch heranzog. Er war von Trotteln und Waschlappen umgeben. Was sollte nur aus der Welt werden, wenn eine junge Frau sich nicht einmal mehr darauf verlassen konnte, dass ein Mann in der Lage war, mit Schneeketten umzugehen? Nicht dass sie das gekümmert hätte. Aber das machte das Ganze nur noch schlimmer.
    Er kratzte sich verdrossen an den Beinen. Sein Ekzem begann wieder zu brennen. Der Doktor behauptete, dass sein neuestes Gesundheitsproblem bloß die Folge des Alters sei, aber Serge war davon überzeugt, dass es sich um eine

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