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Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Titel: Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Stagg
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Aufgabe gestellt: Er sollte Christian, mit seinem Talent, die Leute von seiner Denkweise zu überzeugen, unter irgendeinem Vorwand von der Versammlung weglocken. Aber der dämliche cantonnier konnte nicht bloß das Gatter öffnen und Sarko von der Weide spazieren lassen, wozu der Stier ja neigte. Nein, nicht Bernard. Er musste zu einer menschlichen Zielscheibe werden und das Tier derart wütend machen, dass es wie ein Berserker in den Wald und den halben Berg hinaufgerannt war.
    Vielleicht hätte er es besser wissen müssen und diesen Idioten nicht mit einer solchen Aufgabe betrauen sollen, räumte Serge ein. Schließlich war er sich nach vielen Jahren der Bekanntschaft mit Bernard (aufgrund einer unbedeutenden Verbindung auf Seiten der Familie seiner Frau)durchaus bewusst, dass der Mann selbst einen Heiligen zur Raserei treiben konnte, ganz zu schweigen von einem reizbaren Stier. Er verspürte nach einer halben Stunde in der Gegenwart dieses Trottels weiß Gott selbst das Bedürfnis, ein paar Bäume aufzuspießen.
    Er kratzte sich geistesabwesend am Bein, als er wieder Platz nahm. Das hätte in einer Katastrophe enden können. Eine Tonne erstklassiges Vieh, das mit Schaum vorm Maul in den Bergen Amok lief. Nicht auszudenken, was da alles hätte passieren können. Womöglich wäre es Christians Ruin gewesen.
    Zu seiner Überraschung verspürte Serge, dass sich etwas in den staubigen Winkeln seines Gewissens regte, aber wie die aufflackernde Flamme einer Kerze, die versucht, die erstickende Dunkelheit eines Grubenschachts zu durchdringen, erstarb es schon bald wieder.
    Bevor es sich wieder regen konnte, griff der Bürgermeister von Fogas nach seinem Stift und setzte einen Brief auf. Er würde ihn noch heute mit einer Kopie des Prüfprotokolls zustellen lassen. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Der Conseil Municipal hatte darüber abgestimmt, und er hatte das letzte Wort. Außerdem war es so das Beste für die Gemeinde.
    Er unterschrieb mit einer schwungvollen Bewegung, gab den Brief im Vorzimmer ab, schnappte sich dann seine Jacke und machte sich auf den Weg die Treppe hinunter. In der Zeit, in der seine Sekretärin, Céline, das Schreiben abtippte, wollte er rasch bei seiner Frau vorbeischauen. Während er sich im Gehen den Mantel überstreifte, fragte er sich, wie lange sie wohl noch Zeit hatten, bevor der Arzt sie ins Krankenhaus einweisen würde. Der Mann hatte sich geweigert, Vermutungen darüber anzustellen, und ihnen geraten, es so zu nehmen, wie es kam, einfach in den Tag hineinzuleben. Aber der hatte gut reden.
    Einer Zukunft entgegensehend, die so düster war wie das Wetter, trat Serge in den fallenden Schnee hinaus und zog dabei unwillkürlich die Schultern in die Höhe – und das nicht nur wegen des bitterkalten Windes, sondern auch wegen der kalten Finger, des Schmerzes und des Kummers, der sich immer fester um sein Herz legte.
    » Vous voulez une chambre? … Quelle date? … ’allo? … ’allo? Ach, Scheiße!« Paul seufzte verärgert und knallte den Hörer auf die Gabel, was Lorna veranlasste, von ihrem Laptop aufzublicken.
    »Aufgelegt?«
    Paul nickte.
    »Wieder so ein Werbeanruf?«
    »Ich glaube, ja. Typisch. Da haben wir den ganzen Morgen weder Telefon noch Strom, und kaum funktioniert alles wieder, versucht der erste Anrufer gleich, mir was zu verkaufen!«
    »Was war es denn dieses Mal?«
    »Faxgeräte. Glaube ich wenigstens. Das Problem ist, dass sie immer so schnell sprechen. Wenn ich nicht gerade die Worte ›Zimmer‹ oder ›Restaurant‹ heraushöre, dann bin ich aufgeschmissen!«
    Lorna lachte verständnisvoll. Seit ihrem Umzug nach Frankreich hatte sich das Entgegennehmen von Anrufen von einer ganz alltäglichen Handlung in russisches Roulette verwandelt. Entweder war es ein potenzieller Gast oder ein Werbeanrufer, und diese beiden Möglichkeiten mit begrenzten Französischkenntnissen auseinanderzuhalten, während ein sprachliches Trommelfeuer auf einen einprasselte, erwies sich als schwierig und nicht zuletzt als geschäftsschädigend.
    Paul war daher rasch auf die Strategie verfallen, den Anrufermit Fragen zu bombardieren, in der Hoffnung, seinen Bedürfnissen zuvorzukommen, und er war damit einigermaßen erfolgreich. Bisher hatten sie mehrere Reservierungen für den Beginn der Angelsaison im März erhalten, aber was noch wichtiger war, sie waren für die Silvesterparty in zwei Wochen beinahe ausgebucht.
    Allerdings brachte diese Technik jeden Anrufer, der etwas verkaufen wollte, zur

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