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Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Titel: Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Stagg
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klein. Es handelte sich um ein schwelendes, halbherziges Feuer, das keinen Schaden anrichten würde. Aber dann trug ein Luftzug einen Funken zu einem Stoffstück, und bald schon war daraus ein großes Feuer geworden, das außer Kontrolle geriet, dessen Hitze Glas zerspringen ließ, sich über Türen hermachte, alles verbaute Holz dazu brachte, sich zu verziehen, und die Farbe an den Wänden ablöste.
    Als die Nachbarn es bemerkten und die Feuerwehr riefen, leckten die Flammen bereits an den Dachziegeln; Rauch quoll aus den Fenstern.
    Aber Véronique bekam von alldem gar nichts mit. Sie ruhte in Frieden in den Armen von St. Germaine.
    Serge Papon stand am Fenster, als die Lichter ausgingen. Ssstt . Einfach so. Ganz Fogas glich mit einem Mal einer gelöschten Kerze. Es war so dunkel, dass er kaum die Spitzengardine in seiner Hand auszumachen vermochte.
    Er ließ sie los und tastete sich zum Bett zurück. Dort befühlte er vorsichtig die Bettdecke, bis er die kalte Hand seiner Frau gefunden hatte. Als Reaktion darauf zuckten ihre Finger einmal kurz, und sie gab ein leises Stöhnen von sich.
    »Es dauert nicht mehr lange, mein Liebling. Der Krankenwagen ist unterwegs.«
    Er tätschelte ihre Hand, wusste nicht so recht, was er sonst noch tun sollte. Er hatte den Doktor angerufen, alsimmer klarer wurde, dass sich der Zustand seiner Frau weiter verschlechterte, und der Doktor hatte sofort den Krankenwagen verständigt. Aber darüber hinaus fühlte sich Serge völlig hilflos. Seine Stellung in der Gemeinde zählte nichts, wenn es um die Krankheit seiner Frau ging.
    Draußen tobte der Sturm das Tal hinauf, er zeigte keine Anzeichen einer Abschwächung und wirkte in der pechschwarzen Finsternis irgendwie noch bedrohlicher. Mit einem Mal war ein Donnern von oben zu vernehmen, und das Zimmer, die Gardinen, der Nachttisch, die regungslose Gestalt seiner Frau unter der Bettdecke und die Umrisse des Kreuzes an der Wand wurden für einen Moment in ein helles Licht getaucht.
    Als seine Augen versuchten, sich wieder an die nachfolgende Dunkelheit anzupassen, begann Serge zu seiner eigenen Überraschung den Rosenkranz zu beten. Die verstaubten Worte seiner Jugend fielen ihm nach und nach wieder ein, und seine zunächst zögerliche, stockende Stimme gewann mehr und mehr an Überzeugung; er spürte, wie seine Frau, deren geflüsterte Erwiderungen über den heulenden Wind kaum zu vernehmen waren, in den Gebeten Trost fand.
    Serge war dabei, zum zweiten Mal zehn Ave-Marias zu beten, als die Lichter des Krankenwagens die Nacht durchschnitten und dieser vor dem Haus hielt. Er hörte nicht auf zu beten, als die Sanitäter seine Frau auf eine Trage legten und sie in den Wagen schoben. Und er kam auch kaum aus dem Takt, als der Krankenwagen in La Rivière das Tempo drosseln musste, um den Feuerwehrwagen und den Menschenauflauf zu umfahren, der sich auf der Straße vor der Kirche gebildet hatte. Genau genommen betete er den ganzen Weg bis St. Girons, während draußen der Wind brauste und die Sanitäter versuchten, es seiner Frau so bequemwie möglich zu machen. Und er tat es ebenso sehr um seinet- wie um ihretwillen.
    Der Stromausfall beunruhigte Pascal Souquet, den stellvertretenden Bürgermeister, nicht sonderlich. Er war darauf vorbereitet gewesen und hatte den Generator aufgestellt, der nun draußen vor dem baufälligen Anbau, der aus dem Rathaus herausragte und als Gemeindesaal diente, vor sich hin tuckerte. Nein, was ihn beunruhigte, war die Gesellschaft, in der er sich befand.
    Als er in dem brechend vollen Raum herumstolzierte, sich hier ein Lächeln abrang und dort einmal kurz jemandem die Hand schüttelte, versuchte er, nicht an seine Freunde und Bekannten zu denken, die er in Paris zurückgelassen hatte. Ärzte, Anwälte, Künstler … So viel gebildeter als diese Leute, die sich heute Abend hier versammelt hatten. So viel kultivierter. Und was das Essen betraf …
    »Liebling«, gurrte Fatima in sein Ohr, während sie seinen Arm mit einem Griff umfasste, der einer Schraubzwinge gleichkam. »Du lässt es dir mal wieder anmerken. Vergiss nicht, dass diese Leute deine Zukunft sind!«
    Damit ließ sie ihn los und verschwand in der Menge; in der Luft blieb ein Duft von Parfüm und Enttäuschung zurück.
    Pascal rieb sich den Arm. Er war von seiner Frau gleichermaßen beeindruckt wie eingeschüchtert. Das Ganze hier war natürlich ihre Idee gewesen. Eine Soiree. Ein kleines Beisammensein, dazu gedacht, den Zweitwohnsitzbesitzern, die wie

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