Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf
der Pfanne aus. »Verdammt! Kann denn nicht mal irgendetwas richtig laufen?«
Paul ergriff ihre Hände, die sie zu Fäusten geballt hatte, und zog sie zu sich herüber.
»Wir haben ja immer noch den Kartoffelbrei«, tröstete er sie und versuchte dabei möglichst wenig von dem widerlichen Geruch einzuatmen, der vom Herd ausging. Lorna schniefte in seine Schulter. Ob aus Wut oder vor Belustigung, vermochte er nicht zu sagen.
Es war Silvester, und soweit es Paul anging, konnte das neue Jahr nur besser werden.
Stephanie warf das Kleid wieder aufs Bett und starrte ein weiteres Mal in die Tiefen ihres Kleiderschranks. Genau da lag das Problem. Der Schrank hatte mehr Tiefen als Klamotten.
Ein paar Jeans, ein paar Röcke, einige Oberteile, ein Kleid und ein Blazer. Das war alles. Normalerweise störte sie das nicht, aber heute Abend wollte sie sich besondere Mühe geben. Es sollte eine Art Entschuldigung werden, und gleichzeitig wollte sie damit ihre Dankbarkeit ausdrücken.
Beinahe zwei Wochen waren vergangen, seit sie die Beherrschungverloren und Christian geohrfeigt hatte. Es war ihr immer noch furchtbar peinlich, wenn sie daran dachte. Ihm vor aller Augen eine zu langen war selbst für ihre Verhältnisse extrem. Ganz besonders, wo er doch seit ihrer Ankunft hier so viel für Chloé und sie getan hatte. Und was das Ganze noch schlimmer machte, war, dass an jenem Abend, als sie nach Hause kam, ein Feuer im Kamin auf sie gewartet hatte, frische Milch im Kühlschrank war, Brot auf dem Tisch stand und der kaputte Fensterladen repariert war.
Sie fühlte sich ganz schrecklich. So schrecklich, dass sie beinahe die alljährliche Einladung zu den Silvesterfeierlichkeiten bei den Dupuys abgelehnt hätte. Es war ja schon schlimm genug, ein neunstündiges Essen, bestehend aus Foie Gras, Austern und verschiedenen Platten mit Bratenaufschnitt, ertragen zu müssen, das von einer Gastgeberin aufgetischt wurde, die offenbar das Konzept einer vegetarischen Lebensweise nicht ganz begriffen hatte. Normalerweise war das einzig Positive an der Sache, dass Madame Dupuy das ganze Essen kaufte, sodass das, was als Gemüse durchgehen konnte, zumindest genießbar war und nicht etwa völlig verkohlt.
Aber dieses Jahr würde sie Christian den ganzen Abend lang in dem Bewusstsein gegenübersitzen müssen, wie schrecklich sie sich ihm gegenüber verhalten hatte, und sie hatte wirklich keine Ahnung, wie sie das schaffen sollte.
»Ach, Herrgott noch mal!«
Schließlich war Stephanie es leid, sich nicht entscheiden zu können, und sie griff in den Schrank und zerrte ein dunkelgrünes, mit Blumen gemustertes Top hervor, das sie vor zwei Jahren auf dem Markt in St. Girons gekauft hatte. Das sah gut aus und passte zur Jeans.
Sie zog die Sachen rasch an, ehe sie es sich wieder andersüberlegen konnte. Dabei schimpfte sie die ganze Zeit mit sich selbst, weil sie sich so jämmerlich benahm. Es war ja nicht so, als ob Christian Interesse an ihr hätte. Um das zu wissen, bedurfte es nicht der Intuition einer Zigeunerin, wie sie sie von ihren Vorfahren geerbt hatte. Und wenn sie es nicht schon längst selbst herausbekommen hätte, wäre es ihr spätestens klar geworden, als sie im Laden, als alle dachten, dass sie schliefe, Christians Reaktion auf Véroniques Worte gehört hatte.
Er war über die bloße Andeutung, dass Stephanie mehr sein könnte als eine Freundin, entsetzt gewesen.
Bei dem Gedanken daran verzog sie die Lippen zu einem schiefen Lächeln. Vor einem Jahr noch hätte seine Reaktion sie aus der Fassung gebracht. Sie hatte die Gerüchte gehört, die über sie beide in der Gemeinde im Umlauf waren, und ein Teil von ihr wünschte sich immer noch, sie wären wahr. Aber in den letzten zwölf Monaten hatte sie einsehen müssen, dass Christian Dupuys Herz einer anderen gehörte. Und dabei hatte er selbst keine Ahnung, an wen er es verschenkt hatte.
Aber sie wusste es.
Stephanie grinste ihr Spiegelbild an und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, das heute noch widerspenstiger war als gewöhnlich.
Oh ja, Christian musste sich auf einen Mordsschreck gefasst machen, wenn er endlich einmal aufwachen und ihm klar werden würde, wo seine Zukunft lag. Das war einer der Vorteile, wenn man Zigeunerblut in den Adern hatte. Man wusste Dinge, ohne dass jemand sie einem gesagt hatte. Fühlte Dinge, die niemand sonst fühlte. Wie die alte Hand, die ihr in der Bar übers Haar gestrichen hatte, als ihr Kopf auf dem Tisch ruhte und ihr damit ein wenig von
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