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Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Titel: Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Stagg
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zustande.
    »Soll das etwa heißen … dass du mir keinen Rüffel gibst … weil ich in der Kirche bin … wo ich doch zu Hause sein sollte … wo’s sicher ist?«, keuchte sie. Ihr Kopf sank zur Seite, und ihre Stimme wurde schwächer. »Sieht dir gar nicht ähnlich … Verstößt du nicht gegen deine … deine sozialistischen Prinzipien?«
    »So was in der Art«, murmelte er, als sie das Bewusstsein verlor. Stephanie und Josette zogen seine Aufmerksamkeit auf sich, und er schüttelte fast unmerklich den Kopf. Sie wussten alle, dass Véroniques Engagement für die Kirche ihr das Leben gerettet hatte. Aber sie musste nicht gleich erfahren, dass ihre Wohnung völlig niedergebrannt war und sie alles verloren hatte. Dazu war später noch Zeit, wenn sich der Sturm gelegt und die Dinge sich beruhigt hatten.
    Für den Moment tat es einfach gut, zu wissen, dass sie am Leben war.
    Als der Krankenwagen endlich mit eingeschaltetem Blaulicht von der Kirche abfuhr, war der Sturm beinahe mit der Gemeinde von Fogas fertig. Aber nur beinahe.
    Hoch über den Tälern, die sich durch die Berge schlängelten, legte der Wind noch einmal für sein großes Finale zu. Die Wolken wurden in Aufruhr versetzt, wirbelten über den Himmel, während der Sturm an Stärke gewann und sich anschickte, all seine Wut wie eine tobende Bestie an den Dörfern auszulassen.
    Zuerst steuerte er auf Picarets zu, warf Gartenmöbel und Pflanzkübel um und zerfetzte einen Folientunnel, legte dieMetallstreben frei und verwüstete die Pflanzen darunter. Er toste über Häuser hinweg, verdrehte Satellitenschüsseln und knickte Fernsehantennen um, bevor er seinen Weg durch den Wald ins Tal fortsetzte, um über das einsam stehende Gehöft herzufallen, dort die Firstziegel vom Schieferdach schnipste, Steine in der Giebelwand löste und Metallplatten an der Seite der Scheune verbog.
    Von dort stürzte er sich auf La Rivière herab, heulte den Fluss entlang und rüttelte an den Dachpfannen, riss geöffnete Fensterläden aus den Angeln, spaltete große Äste von den Bäumen und zerfetzte den Weihnachtsbaum der Gemeinde. Die letzten Häuser übersprang er, und während er als Sturmwind den Berg hinaufbrauste und dabei Orkanstärke gewann, sog er den Rauch von dem noch schwelenden Feuer in seinen Wirbel hinein.
    Er stieg höher und höher, entwurzelte Bäume und riss Leitungsmasten um, ließ abgerissene Kabel im Wind hin und her peitschen. Schließlich erreichte er den Gipfel, überquerte den Kamm und sauste nach Fogas hinein, fegte Schindeln von Häusern auf Autos und zerschmetterte Windschutzscheiben. Er brauste heulend die Straße hinauf Richtung Rathaus, zerstörte dabei Schornsteine und riss Holzschuppen nieder, hinterließ eine Spur der Verwüstung, bis er schließlich den Anbau erreichte, wo der Lärm des Generators und die dröhnende Musik die Feiernden taub gemacht hatte für alles, was draußen vor sich ging. Gerade als die alte Uhr zu schlagen begonnen hatte, langte der Wind mit seinem letzten Atemzug hinunter, riss sämtliche Asbestplatten vom Dach und gab die Gestalten darunter den Elementen preis, worauf diese auf der Suche nach Schutz hektisch davonstrebten wie Ameisen von einem umgestürzten Nest.
    Damit war der Sturm vorüber, und das neue Jahr begann.

Kapitel 12
    »Sie ’atten keine Beschädigung? Rien du tout? «
    Paul schüttelte den Kopf und deutete zum Fenster des Speiseraums hinaus in den Garten, wo Chloé in den langen Schatten der Wintersonne Tomate durch die herabgefallenen Zweige jagte.
    »Es sind bloß ein paar Äste von der alten Esche abgebrochen, und dann hat sich natürlich wegen der Löcher im Dach der Wasserschaden vergrößert. Und wir bekommen jetzt Al Jazeera TV! Aber Schlimmeres ist nicht passiert.«
    »Da ’aben Sie aber Glück ge’abt!«, rief Stephanie.
    Paul sagte nichts, denn er wollte nicht zugeben, dass sie es viel leichter gehabt hätten, wenn das Dach bei dem Sturm weggerissen worden wäre. Dann hätte die Versicherung die Kosten für ein neues übernommen. Aber es wäre ihm unangenehm gewesen, darüber Witze zu reißen, wo es doch alle anderen in der Gemeinde schlimmer erwischt hatte und viele immer noch ohne Strom waren. Dem Vernehmen nach war die Postmeisterin nur knapp mit dem Leben davongekommen, nachdem ein Feuer ihre Wohnung zerstört hatte. Ein paar Flecken an der Decke und eine verdrehte Satellitenschüssel waren im Vergleich dazu wirklich eine Kleinigkeit.
    »Und wie ist es bei Ihnen?«, fragte er.
    Stephanie

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