Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf
sogleich begeistert: »Ist es schon Zeit für den Kuchen, Maman?« Ihre Locken hüpften in alle Richtungen, als sie Mütze und Mantel zur Seite warf, auf den Tisch zueilte und sich neben Lorna setzte. Tomate folgte und sprang ihr auf den Schoß.
»Haben Sie schon einmal Königskuchen gegessen?«, fragte sie Lorna, und als die den Kopf schüttelte, begann Chloé ihr in möglichst simplem Französisch die Tradition zu erklären. Aber Paul beachtete ihre Worte gar nicht. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, zu überlegen, wie er aus dieser Sache herauskam, ohne unhöflich zu erscheinen.
Stephanie schnitt das erste Stück und reichte es Lorna, die immer noch Chloé zuhörte. Dann schnitt sie das zweite Stück.
»Und das wäre dann für Sie, Paul«, sagte sie um Chloés willen auf Französisch und hielt ihm den Teller hin. Aber Paul hielt eine Hand in die Höhe und schüttelte den Kopf.
»Aber Sie müssen ihn kosten! Das ist Tradition«, beharrte sie.
Paul grinste schwach und tätschelte seinen Bauch.
»Viel Mittagessen. Kein Hunger.«
Lorna warf Paul einen fragenden Blick zu, sagte aber nichts, während Chloé ihn ungläubig ansah.
»Na schön. Selbst schuld!«, erwiderte Stephanie schulternzuckend, bevor sie den Teller stattdessen Chloé reichte, die ihn mit einem gemurmelten Dankeschön entgegennahm.
Chloé rätselte über Pauls Verhalten. Warum sollte sich jemand weigern, Königskuchen zu essen? War er verrückt geworden? Und dann fiel ihr plötzlich ein, was beim letzten Mal geschehen war, als sie zusammen Kuchen gegessen hatten.
Aber natürlich! Er dachte, Maman hätte den Kuchen gebacken!
Sie wartete, bis Lorna und Stephanie in ein Gespräch vertieft waren, und bedeutete Paul fieberhaft, sich vorzubeugen, damit sie ihm etwas ins Ohr flüstern konnte.
»Keine Sorge«, zischte sie ihm zu. »Maman hat den Kuchen nicht gebacken! Er ist aus der Bäckerei in Seix.«
Paul blickte erst Chloé und dann den Kuchen an, ehe sein Blick wieder zu ihr zurückkehrte.
»Wirklich?«
Chloé nickte. Ihre Augen funkelten vor Lachen, als sie sich auf ihrem Stuhl zurücklehnte. Paul grinste in Erwiderung. Damit sah die Sache natürlich ganz anders aus.
»Äh … Stephanie. Ich habe Fehler gemacht«, sagte Paul und zeigte auf den Rest des Kuchens, während Chloé einen Kicheranfall unterdrückte. »Kann ich bitte einen haben?«
Stephanie griff mit einem wissenden Lächeln nach dem Messer.
»Ich dachte, du wärst satt«, sagte Lorna, als Paul den Teller erwartungsvoll entgegennahm.
»War ich auch«, erwiderte er, bevor er einen großen Bissen von dem Kuchen nahm und Chloé zublinzelte. »Aber mein Appetit ist plötzlich wieder da-a-aaaahhhhhhh!«
Paul hörte auf zu kauen, das Gesicht bleich vor Schreck, und er griff in seinen Mund und zog ein kleines, hartes Objekt hervor, das ihm beinahe einen seiner Zähne abgebrochen hätte.
»Er hat’s gefunden!«, kreischte Chloé und beförderte die Katze recht unsanft von ihrem Schoß, bevor sie zu Stephanies Tasche hinüberrannte, um nach etwas zu suchen. »Und dabei wollten Sie erst gar keinen haben! Und jetzt haben Sie’s gefunden!«
»Was denn gefunden?«, fragte Paul verblüfft, während er auf die kleine Micky-Maus-Figur aus Keramik in seiner Hand herabblickte.
»Die fève . Sie ’aben die fève gefunden. Sie ist immer in die Galette des Rois versteckt«, erklärte Stephanie mit einem breiten Lächeln. »Chloé ’at Ihnen gesagt, ich ’abe nicht gemacht die Kuchen, n’est-ce pas ? Aber sie nichts gesagt von fève , non ?«
»Einen Augenblick mal«, unterbrach Lorna sie mit ungläubiger Stimme. »Soll das etwa heißen, du wolltest keinen Kuchen, weil du dachtest, Stephanie hätte ihn gebacken?«
Stephanie begann schallend zu lachen, als Paul den Anstand hatte, zu erröten.
»Keine problème !« Sie wedelte mit der Hand, als wollte sie Fliegen verscheuchen, als er versuchte, sich zu entschuldigen. »Ich mache Sie keine Vorwurf. Ich bin eine zero in die Küche.«
Paul grinste verlegen, während ihm Chloé mit großer Feierlichkeit eine Pappkrone auf den Kopf setzte.
»Sie sind König für einen Tag«, verkündete sie. »Das soll Glück bringen.«
»Darauf lasst uns trinken«, sagte Paul, schob seine schiefe Krone zurecht und hob seine Teetasse zu einem Pseudotoast. »Wir könnten weiß Gott etwas Glück gebrauchen.«
Véronique hatte furchtbar schlechte Laune. Sechs Tage im Krankenhaus mit einem gebrochenen Bein, gebrochenen Rippen und Verdacht auf
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