Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf
unterkommen sollte.
Das Problem war, dass niemand das Ruder in die Hand nahm. Der Gemeinderat lag sich nach dem Gerangel um die Schließung der Auberge in den Haaren, Pascal Souquet war ein Dilettant und der Bürgermeister nie erreichbar. Céline, der Sekretärin im Rathaus, gingen langsam die Gründe für seine permanente Abwesenheit aus, und die Leute murrten über sein Verhalten, ließen sogar durchblicken, dass er eine Affäre habe, während seine Frau fort war. Und was Christian Dupuy betraf …
Josette vermutete, dass Jacques’ schlechte Laune über seine eigenen Unzulänglichkeiten noch übler wurde angesichts der Enttäuschung über den Mann, von dem er so viel erwartet hatte. Als stellvertretender Bürgermeister hätte Christian sich mehr engagieren sollen, aber nachdem man ihn bei der Sache mit der Auberge auf so gemeine Art und Weise manipuliert hatte, schien er sich irgendwie ausgeklinkt zu haben und betrachtete alles nur noch mit Argwohn. Er sträubte sich nach wie vor, den Websters zu helfen, die er verdächtigte, Sarko wissentlich von seiner Weide gelassen zu haben. Er sprach sogar davon, bei der nächstenRatssitzung zurückzutreten, wann immer die auch sein mochte. Eigentlich war sie für den morgigen Abend angesetzt, aber auf Geheiß des Bürgermeisters ohne Angabe von Gründen abgesagt worden.
Josette ließ den Kopf in ihre Hände sinken.
Im Grunde befand sich die Gemeinde von Fogas in einem völligen Chaos.
Monique Sentenac war die Erste gewesen, die das Wort Karma in den Mund genommen hatte. Der Wind, der an Silvester durch die Täler gebraust war, hatte durchaus etwas Schicksalhaftes, etwas vom Zorn Gottes an sich gehabt, und es stimmte, dass die Auberge als eines der wenigen Gebäude verschont geblieben war. Auch wenn sich Josette nicht der Theorie der biblischen Rache anschloss und nicht damit rechnete, dass schon bald eine Heuschreckenplage über Fogas hereinbrechen würde, so schien die schmutzige Angelegenheit mit der Auberge die Wurzel des Übels zu sein, das die Gemeinde plagte.
Ihr war klar, dass sie heute nichts mehr erledigt bekommen würde, deshalb schloss sie das Hauptbuch und verstaute es gerade unter der Theke, als sie das stotternde Motorengeräusch eines Wagens vernahm, das sie nur zu gut kannte. Sie schaute zu Jacques hinüber, der aufgesprungen war und mit einem Stirnrunzeln anstelle seines üblichen Begrüßungslächeln aus dem Fenster blickte und zusah, wie Christian aus dem Wagen stieg.
Josette wusste, was er dachte. Die Zukunft der Gemeinde hing von dem großen Landwirt ab. Aber wie konnten sie ihn nur davon überzeugen, die Dinge endlich in die Hand zu nehmen?
Die Klingel gab ein unanständiges Furzen von sich, als Christian und Annie, gefolgt von einer an Krücken humpelnden Véronique, den Laden betraten.
»Willkommen daheim!«, rief Josette, eilte um die Theke herum und umarmte Véronique herzlich. »Wie geht es dir?«
Véronique verzog das Gesicht. »Ein bisschen müde«, sagte sie mit einem verschmitzten Lächeln. »Muss wohl an all der Aufregung liegen, aus dem Krankenhaus zu kommen!«
»Na, du weißt ja, wo dein Zimmer ist, falls du dich hinlegen möchtest.«
»Eigentlich wollte ich einen kurzen Blick auf … auf das Postamt und … meine Wohnung werfen.«
Josette warf Christian, der hinter Véroniques Rücken heftig den Kopf schüttelte, einen kurzen Blick zu. Selbst nach sechs Tagen war der Anblick der schartigen Lücke, wo einmal das Gebäude gestanden hatte, immer noch schockierend. Für Véronique, die es zum ersten Mal sehen würde, wäre es gewiss traumatisch.
»Bist du dir auch ganz sicher, dass du dir das zumuten willst?«
Véronique nickte entschlossen, reckte den Kopf und schob trotzig das Kinn vor.
»Absolut. Ich will es mit eigenen Augen sehen.«
»Also gut, dann werde ich dich begleiten«, bot Christan an und hielt ihr die Tür auf, damit sie hindurchhumpeln konnte.
Annie und Josette sahen zu, wie sie langsam in die Gasse abbogen, die hinauf zum abgebrannten Postamt führte.
»Ich bin mir nicht so sicher, ob das eine gute Idee ist«, vertraute Josette Annie an. »Damit quält sie sich doch nur.«
Annie, die anderer Meinung war, schüttelte den Kopf.
»Irgendwannmuschieschmalschehn«, erklärte sie, bevor sie mit ihrem gewohnten Hang zur Untertreibung hinzufügte: »SchiewirdgroscheAugenmachen.«
»Was ist das?« Josettes Aufmerksamkeit wurde von den in der Ferne verschwindenden beiden Gestalten abgelenkt, als Annie das Geschenk,
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