Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf
ungerechter, und Josettes Schuldgefühle in Anbetracht der Rolle, die sie selbst dabei spielte, noch größer.
Doch sie vermochte den Gang der Ereignisse, für die sie sich so verantwortlich fühlte, nicht aufzuhalten. Josette wünschte sich sehnlich, Christian würde sich die Zeit nehmen, seinen neuen Nachbarn kennenzulernen. Vielleicht würden sie dann diesen ganzen Schlamassel aus der Welt schaffen. Aber Christian war ihm nie begegnet, und nach dem Vorfall mit Sarko schien er nicht gewillt zu sein, sich die Mühe zu machen.
Schließlich kam ihr mit einem Mal die Erkenntnis, dass es doch etwas gab, was sie tun konnte, etwas ganz Einfaches und doch … vielleicht würde es ja funktionieren.
Sie musste die beiden irgendwie zusammenbringen, und Paul hatte ihr gerade die perfekte Gelegenheit dafür geliefert. Niemand konnte einer alten Witwe die Hilfe verweigern, nicht wahr? Sie grinste über ihre eigene Gerissenheit und ließ den Blick auf der Suche nach einer passenden Ursache im Laden herumwandern. Vielleicht der Kühlschrank? Nein, der würde sofortiger Maßnahmen bedürfen. Christian würde misstrauisch werden, wenn sie ihn bat, die Sache aufzuschieben. Die Vitrine mit den Messern? Sie blickte auf, sah Jacques an der Wand lehnen und bekam sogleich ein schlechtes Gewissen, es überhaupt in Erwägung gezogen zu haben. Nein, nicht die Messervitrine, das würde er ihr niemals verzeihen, aber was blieb dann noch?
Natürlich! Ihr Blick schnellte zu Jacques zurück. Sie durchquerte entschlossen den Raum. Die plötzliche Bewegung ließ ihn zusammenzucken, und er sprang aus dem Weg, als sie sich vorbeugte, um die alte Käsevitrine zu begutachten, gegen die er gelehnt hatte. Irgendein entfernter Vorfahre von ihm hatte sie einmal angefertigt, und die hölzerne Kiste hatte schon seit langem ein wenig Schlagseite, weil sie sich immer mehr von den Wandhaltern löste. Perfekt.
Nun musste sie sich beeilen, um fertig zu sein, bevor Christian zurückkehrte. Josette hastete zur Theke und kramte einen alten Klauenhammer aus der Schublade. Sie trug den Hocker zur Käsevitrine hinüber, kletterte darauf, platzierte die Klaue zwischen Wand und Holz und drückte mit aller Kraft. Aber nichts geschah. Sie ignorierte Jacques, der angesichts ihrer vermeintlichen Zerstörungswut in helle Aufregung geriet, versuchte es noch einmal, und dieses Mal wurde sie mit dem Krachen von splitterndem Holz belohnt. Nach einem weiteren Mal ging ein Ruck durch die Vitrine, und der Käse darin rutschte auf eine Seite.
Das sollte genügen.
Während Jacques immer noch ungläubig mit offenem Mund dastand, verfrachtete sie den Hocker und den Hammer wieder an Ort und Stelle. Und da kamen Christian und Véronique auch schon herein.
»Du siehst ganz erschöpft aus«, sagte Josette besorgt, als eine sehr blasse Véronique dankbar auf den Hocker sank. »Du hast es übertrieben.«
»Es war schlimmer, als ich es mir vorgestellt hatte«, flüsterte Véronique, ganz offensichtlich immer noch unter dem Eindruck dessen, was sie gesehen hatte. »Es ist nichts mehr übrig. Gar nichts.«
Sie schüttelte ungläubig den Kopf.
»Wirhamversuchtdischuwarnen!«
Josette fuhr herum und sah Annie im Durchgang der Bar stehen. Wie lange war sie wohl schon dort? Josette hatte sie nicht herunterkommen hören. Ob sie etwas gesehen hatte?
»KommschonLiebes«, fügte sie mit mehr Mitgefühl hinzu. »IchelfdirinschBett.«
Sie streckte ihren Arm aus, um Véronique die Treppe hinaufzuhelfen.
»Armes Ding«, bemerkte Josette, die versuchte, weder die Vitrine noch Jacques anzustarren, der auf dem Kühlschrank still vor sich hin schäumte.
»Ja, es hat sie richtig mitgenommen. Aber ich glaube, es wird auf lange Sicht doch das Beste sein.« Christian sah auf die Uhr und fluchte leise. »Ich bin spät dran. Ich habe Maman versprochen, zeitig zurück zu sein, um den Hühnerstall zu reparieren. Wir vermissen nach dem Sturm immer noch etliche Hühner. Die sind vermutlich bis nach Foix geweht worden!«
»Bevor du gehst …«, hob Josette an und begann vor Nervosität zu stottern. »Meinst du … könntest du wohl … die Käsevitrine –«
»Was ist denn damit …« Christians Stimme wurde schwächer, und er starrte die schiefe Kiste an, in der sich die Käseräder alle auf einer Seite zusammendrängten. Er runzelte die Stirn.
»Das ist ja komisch. Ist mir eben gar nicht aufgefallen. Wie lange ist sie denn schon so?«
Josette, die keine besonders gute Lügnerin war, hatte mit dieser
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