Monster
Theaterinszenierung - das Prinzip der Produktion - ihn persönlich so angesprochen hat. Außerdem passt auf ihn die Beschreibung, die Vito Bonner uns von Wark gegeben hat - hoch gewachsen, dünn -, und das Alter kommt auch hin. Derrick müsste jetzt Mitte dreißig sein.«
Milo dachte eine Zeit lang nach. Wir gingen mittlerweile durch die dunklen Straßen einer Wohngegend. Unsere Schritte hallten vom Gehsteig wider. »Die Crimmins sind also alle tot?«
»Vater, Stiefmutter, Bruder, alle durch Unfälle ums Leben gekommen. Nicht uninteressant, oder?«
»Du glaubst, er hat auch seine Familie umgebracht?«
»Unfälle zu inszenieren ist ja auch ein kreativer Akt - immerhin muss man sie planen, den Rahmen schaffen und so weiter. Derrick war alles andere als ein mustergültiger Staatsbürger. So wie Wanda Hatzler ihn beschrieben hat, waren er und sein Bruder verzogene Schlägertypen, die möglicherweise auch noch Vergewaltigung auf dem Kerbholz hatten.«
Ich blieb stehen.
»Was ist los?«, sagte Milo.
»Mir ist gerade noch was eingefallen. Sheriff Haas hat erzählt, dass nach dem Blutbad bei Peake in der Hütte haufenweise Drogen gefunden wurden, darunter auch rezeptpflichtige Tabletten, Phenobarbital. Aus der Apotheke in Treadway war nichts Derartiges gestohlen worden, und von den Ardullos war es niemandem verschrieben worden. Deshalb war Haas sich sicher, dass er es irgendwo außerhalb aufgetrieben haben musste. Andererseits hat niemand je gesehen, dass Peake Treadway verlassen hätte. Vielleicht hatte er also eine Drogenquelle im Ort. Wanda hat Derrick und seine Kumpels des Öfteren mit Peake zusammen gesehen, meistens allerdings, um ihn zu schikanieren. Peake hat niemals Widerstand geleistet, sondern sich im Gegenteil extrem passiv verhalten. Was wäre, wenn die Crimmins-Brüder ihn mit Drogen versorgt hätten - um sich über den Dorftrampel zu amüsieren? In der Nacht des Massakers hat Peake sich bis über beide Ohren zugedröhnt, seine Psyche ist aus den Fugen geraten, und er hat die Ardullos abgeschlachtet. Und Derrick und sein Bruder realisierten, dass sie dabei zumindest indirekt eine Rolle gespielt hatten. Die meisten anderen Menschen wären darüber entsetzt gewesen, aber die Crimmins-Brüder hatten jede Menge Gründe, Scott Ardullo zu hassen. Seine Weigerung, sein Land zu verkaufen, hatte jahrelang die hochfliegenden Pläne ihres Vaters verhindert, seine Ländereien an einen Investor zu verkaufen. Außerdem hat Scott mit ihrer Stiefmutter geschlafen. Was wäre, wenn ihnen Peakes Tat nicht nur gut in den Kram gepasst hätte, sondern sie sich auch indirekt als Macher verstanden haben? Und wenn man es einmal aus einem kranken Blickwinkel betrachtet, war es ja auch eine gelungene Inszenierung: Der Landverkauf ging über die Bühne, die Familie kam wieder zu Wohlstand. Ein Erfolgserlebnis dieser Art kann sich fatal auswirken, zumal bei einem Jugendlichen, der ohnehin schon antisoziale Tendenzen an den Tag gelegt hat. Und so kommt es, dass Derrick ein paar Jahre später zu einer direkteren Vorgehensweise übergeht, indem er das Boot von seinem Vater und seiner Stiefmutter in die Luft jagt. Und wieder kommt er damit durch.«
»Oder«, sagte Milo, »die Geschichte mit dem Boot war wirklich ein Unfall, es war jemand anders, der Peake mit Drogen versorgt hat, Wark ist nicht Derrick, und Derrick lebt als Playboy in Palm Beach, wo er den ganzen Tag Pina Coladas schlürft und seine Melanome züchtet.«
»Auch möglich«, sagte ich. »Aber wo wir uns schon mal streiten, lege ich noch einen drauf: Derrick und Cliff waren nicht nur indirekt an Peakes Tat beteiligt. Sie haben ihn mit Drogen vollgepumpt und seine Wahnvorstellungen absichtlich in eine bestimmte Richtung gelenkt. Ihn dazu gebracht, die Ardullos umzubringen. Sie waren dominant und aggressiv. Peake war passiv und ließ sich leicht beeinflussen. Vielleicht hatten sie von irgendwo erfahren, dass Peake selbst irgendwelche Ressentiments gegen die Ardullos hegte, und haben sich das zu Nutze gemacht. Vielleicht haben sie nie wirklich erwartet, dass so etwas passieren würde - typisches Drogengelaber von durchgeknallten Teenagern -, und als es dann passiert ist und Peake Amok gelaufen ist, waren sie zuerst erschrocken. Und dann erstaunt. Und dann erfreut.«
Milo rieb sich mit den Knöcheln über die Augen. »Was ist in deiner Kindheit bloß abgegangen, dass du solche Überlegungen anstellst?«
»Zu viel freie Zeit.« Ein Vater, der Alkoholiker war, eine Mutter,
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