Monsterkopf
John!«
Ich drehte meinen Kopf nach rechts und schaute Suko an, der neben mir saß. »Was ist deine Meinung?«
»Ungewöhnlich ist der Fall schon. Mich interessieren besonders die Mörder des Kollegen Steiner. Hat die Zeugin wirklich von nackten Personen gesprochen.«
»Hat sie!«, behauptete Tanner. »Soviel sie erkennen konnte, trugen sie keinen Fetzen am Leib. Es waren Männer und auch Frauen. Gestalten wie aus der Urzeit.« Zum ersten Mal lächelte Tanner. »Wenn ich daran denke, dass ihr Menschen aus Atlantis kennt und was weiß ich nicht alles, dann kommen mir die Aussagen der Zeugin gar nicht mal so unwahrscheinlich vor, obwohl ihr sonst niemand glauben will.«
»Als Zeugin wäre sie sogar eine Gefahr für die andere Seite«, meinte Suko.
»Du sagst es. Aber – wie gesagt – man glaubt ihr nicht. Und mir würde man auch nicht glauben.«
»Dann wissen die Kollegen nicht, dass du dich eingemischt hast?«
Tanner lachte Suko an. »So ist es. Ich habe es auch nur hintenherum erfahren. Zuständig bin ich für London und nicht für irgendwelche Provinzgebiete. Deshalb meine Bitte: Schaut euch den Fall mal aus der Nähe an. Da wäre ich euch wirklich sehr verbunden.« Er zeigte uns seine offenen Handflächen. »Natürlich nur, wenn ihr Zeit habt.«
»Die werden wir uns wohl nehmen müssen«, sagte ich.
Tanner grinste etwas hinterhältig. »Nun ja, der Schwarze Tod ist vernichtet, wie ich hörte, und...«
»...da glaubst du, dass wir uns auf die faule Haut legen und nur darauf warten, dass jemand kommt, der uns dann auf bestimmte Fälle stößt.«
»Genau, John. So ist es doch immer bei der Polizei. Erst die Leiche, dann die Untersuchung – und danach hoffentlich die Aufklärung.«
»Was haben wir heute?«, fragte ich.
»Freitag.«
»Toll.«
»Wieso?«
»Das Wochenende...«
»Da habe ich Dienst«, erklärte Tanner, »während ihr euch einen schönen Tag machen könnt.«
Ich wies gegen das Fenster, hinter dessen Scheibe sich ein trüber Tag geschlichen hatte. »Bei dem Wetter ist das Wochenende dazu da, um sich auszuruhen. Das hatte ich vor.«
»Und nun?«
»Nicht mehr«, gab ich knirschend zu. »Du hast es geschafft, Tanner. Wir können einen alten Freund nicht im Stich lassen. Außerdem kenne ich deine Nase. Wenn die mal was erschnüffelt hat, steckt in der Regel mehr dahinter. Ich werde mal losfahren und nehme Suko mit – oder?«
Mein Partner hatte noch nicht zugestimmt, doch ein langes Überlegen gab es beim ihm nicht. Er nickte und sagte: »Shao und Glenda wollten ohnehin mal zusammen shoppen gehen. Da ist der morgige Samstag ideal, während wir beide hinaus aufs Land fahren.«
»Danke«, sagte Tanner. »Und bin sicher, dass ihr es nicht bereuen werdet. Man darf eine derartige Gefahr einfach nicht zulassen. So sehe ich die Dinge.«
»Wie du meinst.«
»Dann kann ich zahlen?«
»Wie du willst«, sagte ich.
»Nur noch eine Frage«, meinte Suko. »Wo genau müssen wir eigentlich hin und unsere Untersuchungen beginnen.«
Tanner strahlte uns fast an, als er in die rechte Seitentasche seines Jacketts griff und einen Umschlag hervorholte. »Wenn ihr ihn öffnet, werdet ihr alle Informationen, die ihr braucht und die bisher bekannt sind, finden. Mehr kann ich euch leider nicht helfen.« Er schaute auf die Uhr und nahm gleichzeitig seinen Mantel von der Stuhllehne. »Oh, verdammt spät geworden. Ich wollte mich noch aufs Ohr legen, bevor meine Nachtschicht beginnt.«
Tanner hatte es plötzlich sehr eilig und überraschte uns damit.
»Und wer zahlt jetzt die Rechnung?«, flüsterte Suko, wobei er seinen Kopf schüttelte.
»Immer der, der fragt, Alter...«
Wir waren mal wieder unterwegs. Wie so oft. Man kann es sich eben nicht aussuchen, und unser alter Freund Tanner hatte schon des Öfteren den richtigen Riecher gehabt. Da brauchten wir nicht lange in der Vergangenheit zu schürfen.
Suko hatte gern seinen BMW aus der Garage geholt. Die schwarze Rakete, wie er ihn manchmal nannte, hatte bereits seine Jahre auf dem Buckel, aber er war topgepflegt, denn auf sein Auto ließ Suko nichts kommen.
Das trübe Herbstwetter blieb uns auch auf der Fahrt in die Provinz treu. Das störte uns nicht. Solange es nicht wie aus Kübeln goss oder dicker Nebel die Gegend unsicher machte, ließ sich das alles ertragen.
Die M 20, die wir fuhren, endete in Folkstone, direkt an der Ostküste. So weit mussten wir nicht. Die Raststätte, an der alles passiert war, lag einige Meilen hinter Maidstone. Es gab eine
Weitere Kostenlose Bücher