Monströs (German Edition)
Rücken in den Hosenbund geklemmt. Dann war Raphael kurz hinter Martins Sitz verschwunden. Martin hörte ein Geräusch, als ob jemand in einer Metallkiste kramen würde. Ein Werkzeugkasten ging es Martin durch den Kopf. Als Raphael sich wieder im Sitz gegenüber niederließ, hatte er einen Gegenstand in der Hand, der Martins Phantasie erneut beflügelte. Es war eine kleine Kneifzange, mit der man Kabel und Draht durchtrennen konnte.
Im nächsten Moment beugte Raphael sich vor und hielt Martin die Zange vors Gesicht.
»Damit kann man auch allerhand anfangen«, sagte er.
Martins Hals war trocken. Er brachte einfach kein Wort heraus. Sein Verstand weigerte sich, an etwas anderes zu denken, als an die Zange. Was hätte er auch sagen sollen, es gab nichts, was ihm halbwegs plausibel erschien.
»Ich habe mit all dem nichts zu tun. Ich habe ihre Frau nicht umgebracht. Das müssen Sie mir endlich glauben.«
Raphael setzte die Zange an Martins kleinem Finger der rechten Hand an und hielt Martins die Hand fest.
»Falsche Antwort!«, sagte er und drückte die Zange mit aller Kraft zusammen.
Martin hatte sich schon öfters in seinem Leben gefragt, wie es war, den Verstand zu verlieren. Hing er wirklich an einem seidenen Faden, der reißen konnte. Und war man dann, wenn man den Verstand einmal verloren hatte, denselben ein für alle Mal los oder konnte man ihn wieder zurückgewinnen. Als die Zange den kleinen Knochen seiner Fingerkuppe mit einem Knacken durchtrennte, verlor er den Verstand. Der Schmerz schoss mit Lichtgeschwindigkeit über die Hand und den Arm in seinen Körper, explodierte in seinem Gehirn und übertraf alles Vorhergehende. Als die Fingerkuppe dumpf auf den Boden fiel und das Blut aus dem übrig bleibenden Stumpf pulsierend herausquoll, übergab er sich vornüber auf seine Kleidung und verlor dann erneut das Bewusstsein.
58
Irgendwann kam er wieder zu sich. Viel Zeit konnte nicht vergangen sein, denn es war noch immer nicht hell draußen. Vor seinen Augen lag ein Schleier, als ob er durch ein mit Milch übergossenes Glas schauen würde. Er nahm einen säuerlichen Geruch wahr. Den Geruch seines Erbrochenen. Immer noch hing er in seinen Fesseln. Und leider war er noch nicht tot. Der Schmerz war unbeschreiblich. Seine Hand glühte und der Schmerz pulsierte in Wellen durch ihn hindurch und schaffte es tatsächlich die Brandwunde auf seiner Wange und den nicht mehr zu gebrauchenden Arm und alles, worüber er sich sonst noch hätte beklagen können, zu verdrängen. Er hob den Kopf. Raphael glotzte ihn aus unbeteiligten Augen an. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, den blutenden Finger zu verbinden. Mittlerweile klebten ihrer beiden Schuhe in dem dunkel geronnen Blut auf dem Boden.
»Du hast Glück«, sagte Raphael. »Normalerweise würde ich jetzt Finger für Finger so weiter machen. Dann kämen die Zehen, die Hände und die Füße dran. Solange, bis du verblutest bist. Aber hier gibt es weder eine geeignete Säge, noch habe ich die Zeit abzuwarten, bis du jedes Mal wieder zu dir kommst, wenn ich den ersten Zug ins Tal bekommen will.«
Raphael stand auf und spannte eine Schnur zwischen seinen Händen. Martin glaubte, dass es sich um ein Telefonkabel handelte. Raphael trat hinter Martin und legte ihm die Schnur um den Hals.
»Erdrosselt zu werden, ist kein schöner Tod. Aber darin bin ich ziemlich perfekt. Das Schöne daran ist die Macht, die in meinen bloßen Händen liegt. Es ist besser als eine Schusswaffe, bei der die Kugel die ganze Arbeit erledigt.«
Raphael machte eine kurze Pause, bevor er weitersprach und die Schnur um Martins Hals strammer zog.
»Irgendjemand muss mich gleich bei meiner Ankunft mit dem Elektroschocker bearbeitet haben. Das kannst nur du gewesen sein, oder dein Partner. Vielleicht sagst du aber auch die Wahrheit, wovon ich fast ausgehen muss, bei deinem beharrlichen Schweigen. Aber vielleicht ist das auch wieder nur Taktik, weil du dir erhoffst, dass ich dich am Leben lasse, falls du nichts mit dem Tod von Eddies Frau zu tun hast. Allerdings würde ich darauf nicht wetten. Ich werde dir jetzt langsam die Luft abschnüren. Du wirst ersticken. Vielleicht hole ich dich noch einmal zurück ins Leben, wahrscheinlich aber nicht. Wenn du noch etwas sagen willst, dann sag es jetzt.«
Martin war in einem Zustand, indem ihm egal war, was mit ihm geschah. Er war schon lange bereit für den Tod. Er wollte es nur noch hinter sich bringen und er wusste ganz genau, dass es keine
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