Monströs (German Edition)
ihm jetzt direkt in die Augen.
»Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.« Sie klang enttäuscht und kraftlos. Aber schlimmer war, es klang auch ehrlich. Sie hielt Martins Blick stand, bis er seufzend wegschaute.
»Was sind das für E-Mails, von denen Sie da reden?«, wollte Söder jetzt wissen.
»Ach, vergessen Sie es«, gab Martin zurück.
»Wie Sie meinen«, sagte Söder.
Im gleichen Augenblick wurde Martin klar, dass er unüberlegt geantwortet hatte. Die E-Mails auf seinem Rechner konnten ihn entlasten. Sie bewiesen, dass jemand ein Spiel mit ihm trieb. Sie mussten etwas mit Kaltenbachs Auftauchen und der Toten in der Badewanne zu tun haben.
Söder erhob sich von seinem Stuhl.
»Also los, gehen wir«, sagte er.
Selma kam hinter der Küchentheke hervor. Sie nippte noch einmal an ihrer Tasse, dann stellte sie diese auf den Tisch und gesellte sich zu Bumann und Meier, die darauf warteten, dass Söder voranging.
Martin bekam plötzlich noch mehr Angst. Er wollte nicht allein mit der Toten in der Badewanne in dieser Wohnung bleiben.
»Seit ich hier angekommen bin, habe ich mehrere E-Mails erhalten. Absender war meine verstorbene Frau. Die letzte Nachricht beinhaltete eine Verlinkung auf eine Reportage über die Morde Kaltenbachs an seinem Bruder und seiner Frau.«
Söder, Bumann, Meier und Selma sahen Martin verstört an.
»Was reden Sie da für ein wirres Zeug?«, sagte Söder und Bumann schüttelte ungläubig den Kopf. Martin ließ sich nicht beirren und redete einfach weiter.
»Ein Freund von mir ist ein Computerfreak. Kurz bevor hier die Leitungen nicht mehr funktionierten, hat er mir mitgeteilt, dass die E-Mails von dem E-Mail-Account meiner Frau aus abgeschickt wurden. Das Wichtigste war allerdings, dass die Nachrichten von einem Computer in diesem Hotel abgeschickt wurden.«
Für einen Moment herrschte Ruhe. Dann ergriff Bumann das Wort.
»Das können Sie sich genauso gut gerade ausgedacht haben.«
»Die E-Mails können Sie nachlesen. Sie sind auf meinem Notebook gespeichert.«
»Schluss jetzt«, sagte Söder. Er drehte sich um und öffnete die Schublade des Sideboards, das dort stand. Heraus nahm er eine Rolle mit breitem Klebeband. Er ging um den Tisch, klebte es Martin auf den Mund und wickelte es zweimal um seinen Kopf.
»Soll sich die Polizei doch darum kümmern«, sagte Söder.
Martins Augen quollen vor Schreck hervor. Er bekam keine Luft mehr. Seine Nase war leicht verstopft. Panik machte sich breit. Er stöhnte so laut er konnte und wusste doch, dass es nichts nützen würde. Er dachte an die Zwangsjacke, und den Versuch zu schreien, und dass es nicht ging. Er dachte daran, wie er als Kind unter Schneemassen begraben war und keine Luft mehr bekommen hatte. Dann endlich bekam er wieder Luft durch die Nase. Er atmete tief ein und aus. Zu mehr war er jetzt nicht mehr fähig. Nur die Konzentration auf das Atmen konnte den drohenden klaustrophobischen Anfall noch verhindern. Er merkte, wie der Schweiß über seine Stirn rann. Das war das erste Anzeichen.
Söder ging in den Flur. Meier und Bumann folgten ihm. Als die Männer ihr den Rücken zugewandt hatten, ließ Selma unvermittelt einen Gegenstand aus dem Ärmel ihres Pullovers gleiten und drückte ihn Martin in die hinter dem Stuhl gefesselte Hand. Es war ein kleines, scharfes Gemüsemesser aus der Küche. Der Vorgang hatte keine drei Sekunden gedauert. Mit ein paar schnellen Schritten schloss Selma wieder zu den Männern auf. Sie hatten nichts bemerkt. Martin hörte, wie sich die Wohnungstür hinter ihnen schloss, und wie die Tür abgesperrt wurde. Er hatte sich in Selma getäuscht. Sie hatte Söder und den anderen nur die bitter Enttäuschte vorgespielt. In Wirklichkeit glaubte sie nicht, dass Martin etwas mit dem Tod ihrer Chefin zu tun hatte. Die Gewissheit, dass Selma auf seiner Seite stand, löste ein winziges Gefühl der Erleichterung in Martin aus. Kurz darauf war das Gefühl wieder verschwunden, als er daran dachte, dass sie nun mit diesem angeblichen Hausmeister Söder und den anderen beiden Männern, die ihr im Ernstfall sicher keine Hilfe waren, im Hotel unterwegs war. Fest stand nämlich, dass Kaltenbach ein Mörder war. Er war es vor sieben Jahren, als Martin einen Meineid auf das Gegenteil geschworen hatte und er war es nach wie vor, weil er seinen Bruder und seine Frau hingerichtet hatte. Es schauderte Martin bei dem Gedanken, was Kaltenbach mit Selma anstellen würde, wenn er sie in die Finger bekam. Und sicher war er
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