Monströs (German Edition)
zurückfallen und versuchte, seinen hektischen Atem unter Kontrolle zu bringen. Ganz ruhig, tief ein- und ausatmen. Er hörte die beruhigende Stimme Dr. Hörschlers zu ihm sprechen. Langsam wurde es besser. Das Zimmer kam wieder zum Stillstand.
Aber nichts ergab einen Sinn. Er brachte die Puzzleteile, die sich ständig vermehrten, einfach nicht zusammen. Er merkte, wie er wieder schwitzte. Am liebsten hätte er sich alle Kleider vom Leib gerissen, so heiß war ihm mit einem Schlag. Warum sollte Marianne Seewald ihm die E-Mails geschickt haben? Immer wieder dieselbe Frage, auf die er keine Antwort wusste. Es gab kein Motiv. Und warum hatte sie sich danach umgebracht? Er zwang sich wieder an das Notebook und betrachtete das Display. Er sah, dass sich im Ordner Postausgang noch ein Dokument befand, das noch nicht versandt war. Vermutlich wegen des Ausfalls der Telefonleitung, dachte er. Seine Augen weiteten sich, als sich ihm ein übler Verdacht aufdrängte. Mit zittrigen Händen klickte er auf den Postausgang und erstarrte, als er seinen Verdacht bestätigt sah. Empfänger dieser Nachricht, die keinen Betreff hatte, hätte abermals er sein sollen. Er klickte erneut und hatte den Inhalt vor seinen Augen, die sich mit jedem Wort, das er las, mehr und mehr mit dem Ausdruck abgrundtiefen Schreckens füllten.
Lieber Martin,
Blut zur Sühne färbte das reine Wasser rot.
Das Leben ging, langsam kam der Tod.
Mit der Schmerzdame ist es nun auch vorbei.
Übrig bleiben nur noch drei.
In ewiger Liebe
Anna
Zu den Schwitzattacken und den Kopfschmerzen, die wie Turbinen eines Jumbojets unter seiner Schädeldecke wühlten, gesellte sich nun auch noch eine unerträgliche Übelkeit. Er erinnerte sich genau, wann er sich das letzte Mal so gefühlt hatte. Es war, als er den Alkohol von einem auf den anderen Tag abgesetzt hatte. Nur einen Schluck, dachte er und es geht mir besser. Fakt war, dass er in seinem jetzigen Zustand nicht weit kommen würde. Er fühlte sich wie auf Entzug. Aber eigentlich war das nach der langen Zeit der Abstinenz nicht mehr möglich. Doch seine Gedanken kreisten nur noch um einen einzigen Schluck Hochprozentiges. Es war nicht einmal die Lust am Trinken, die ihn anstachelte, den Kühlschrank zu öffnen. Es war das Bedürfnis seinen körperlichen Qualen ein Ende, oder wenigstens Linderung zu verschaffen. Er sah die Flasche mit dem Tequila, griff beherzt zu, öffnete sie und führte sie zum Mund. Kurz bevor die Flasche seine Lippen berührte, hielt er inne. Was war mit Paul? Wenn er jetzt die Beherrschung verlor, würde ihm Anna das niemals verzeihen. Er konnte förmlich sehen, wie sich die Tränen der Enttäuschung in ihren Augen bildeten, je näher die Flasche seinen Lippen kam. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er gerade in Gedanken angenommen hatte, dass Anna noch lebte. Das erschreckte ihn nur noch mehr. Doch irgendwie brachte ihn die Vorstellung auch wieder zur Vernunft. Was, wenn sie wieder eine glückliche kleine Familie werden könnten? Er hatte nur einen großen Schluck nehmen und den Rest in den Ausguss gießen wollen. Jetzt kippte er die ganze Flasche hinein.
Was er spürte waren keine Entzugserscheinungen. Er hätte sich gerne selbst damit getäuscht, um wieder einen Grund zum Trinken zu haben. Es war nur das gleiche elende Gefühl, das er in der Nacht gespürt hatte, nachdem Anna Selbstmord begangen hatte. Er nahm sich jetzt statt des Tequilas ein großes Glas Wasser und trank es in einem Zug aus. Er füllte das Glas wieder und setzte sich an den Tisch. Er atmete bewusst langsamer und dann spürte er ein wenig Linderung. Er konnte sich wieder konzentrieren.
Der Text der letzten E-Mail, die er nur einmal gelesen hatte, hatte sich in seinem Gehirn festgesetzt wie eine Tätowierung auf der Haut. Die Nachricht flimmerte auch jetzt vor seinen Augen, als ob sie ihm etwas Tiefgreifendes verraten wollte. Dabei war die Aussage klar und deutlich. Es gab keine hintergründigen Hinweise. Er dachte an den Inhalt der davor liegenden E-Mail:
Fünf böse Menschen verdarben das Leben mir.
Ein Schädling erschoss den anderen,
da waren es nur noch vier.
Der Text besagte, dass derjenige, der ihn geschrieben hatte, von fünf Menschen Böses zugefügt bekommen hatte. Mit Udo Kaltenbach war der Erste gestorben und mit Marianne Seewald, die Zweite. Für den Schreiber der Mail war Frau Seewald die Schmerzdame.
Übrig blieben noch drei Personen und wie es aussah, gehörten er, Martin,
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