Monströs (German Edition)
Udo übergangen. Udo hatte die Macht über ihn wie ein Pilot über den Feuerknopf seines Kampfflugzeuges.
Erst als Eddie für die Dauer der Untersuchungshaft in dem Mordprozess vor sieben Jahren von seinem Bruder getrennt war, wurde sein Kopf klarer und die Abhängigkeit nahm in gleichem Maße ab, wie die Schübe seiner Krankheit, welche die Ärzte als multiple Persönlichkeitsstörung bezeichneten.
Allerdings war heute etwas Entscheidendes anders, als vor sieben Jahren. Damals wollte er nur noch Eddie sein. Heute wollte er gerade das nie wieder. Eddie war weich, voll Trauer um seine Frau. Raphael war hart, kannte keine Gefühle und er war Eddies bester Freund. Ein Vertrauter, der ihn nie im Stich ließ.
Raphael blickte auf den Toten vor sich auf dem Boden des Direktorenbüros und stieß wütend mit dem Fuß gegen ihn. Er bedauerte so sehr, dass er sich von seiner Wut hatte hinreißen lassen und den Mann, der Eddies Frau beleidigt hatte, mit einem schnellen Kopfschuss erledigt hatte. Er hätte ihn leiden lassen sollen, für das, was er über Sarah gesagt hatte. Was ihn selbst anging, hatte der Mann die Wahrheit gesagt, die Worte mochten ein wenig hart gewesen sein, aber im Kern lag der Mann richtig. Nur fragte er sich, woher der Mann seinen Spitznamen von damals kannte. Die Bestie, ein Name, der ihm gefiel. Es war lange her, dass ihn jemand so genannt hatte.
Er sah hinüber zu dem Computer im Direktorenzimmer. Er dachte an Waller, der sich im Keller versteckt hatte. Den Keller hatte er als Erstes abgesucht, dann hatte er sich Etage für Etage nach oben gearbeitet. Waller musste es mit viel Glück gelungen sein, an ihm vorbeizukommen. Er bedauerte, dass er nicht jedes einzelne Zimmer durchsucht hatte. Er atmete tief durch. Er hatte Zeit. Ihm war egal, ob die Polizei ihn schnappte, ihm war im Grunde genommen auch egal, ob er leben oder sterben würde. Doch vorher musste er den Mörder von Eddies Frau und denjenigen, der Eddie dazu getrieben hatte, seinen eigenen Bruder zu erschießen, bestrafen.
Plötzlich drehte er sich hastig um. Er kannte dieses Klopfen. Aber dennoch brauchte er einen Moment, um einordnen zu können, um was es sich handelte. Dann hetzte er aus dem Büro des Direktors in Richtung des Eingangsbereichs.
Raphael verpasste den aus dem Keller aufsteigenden Lift nur um Sekunden. Trotzdem schlug er auf den Knopf, obwohl ihm klar war, dass er die Kabine mit ihrem Inhalt dadurch nicht zum Anhalten oder gar zum Zurückkommen bewegen konnte. Er stieß einen kurzen Fluch aus und rannte dann zurück an der Rezeption und den Büros im Seitengang vorbei zum Treppenhaus. Mit ein paar Sätzen war er in der ersten Etage. Er rannte den Flur entlang, bog um die Ecke und kam schon wieder zu spät. Der Aufzug hatte auch in dieser Etage nicht angehalten und war schon auf dem Weg in den zweiten Stock. Eddie rannte zurück ins Treppenhaus und nach weiteren zwanzig Sekunden stand er vor dem Aufzug im zweiten Stock. Die Türen schoben sich im gleichen Moment zur Seite. Aber die Kabine war leer!
37
Durch die Glastür, welche das Restaurant von der Eingangshalle trennte, konnten Martin, Selma und Bumann unbemerkt beobachten, wie Eddie Kaltenbach zum Aufzug rannte, ihn verpasste und darauf wieder zurück in den Seitengang zu den Treppen lief. Sie hatten damit gerechnet, Ernst Söder zu sehen, da er und nicht Eddie die Pistole gehabt hatte. So oder so, bis hierher hatte der mit schnellem Entschluss gefasste Plan, den Aufzug als Ablenkungsmanöver zu benutzen, jedenfalls funktioniert. Doch das war der einfachere Teil gewesen. Was jetzt folgen sollte, war schwieriger zu realisieren und im Wesentlichen von dem Zeitfenster abhängig, dass sie verstreichen ließen, bis sie Eddie die Treppen hinauf folgten.
Der Plan sah vor, dass sie, Eddie unauffällig folgen wollten, während dieser zum Aufzug in der zweiten Etage lief, um schließlich in derselben Etage, die Treppe hinauf in den dritten Stock zu nehmen. Der Aufzug und der Treppenaufgang waren durch zwei Flurbiegungen getrennt, so dass Kaltenbach sie nicht sehen konnte, solange er vor dem Aufzug stand.
Alle drei wussten, dass es ein sehr waghalsiger Plan war. Eine bessere Möglichkeit, ohne Konfrontation nach oben in den vermeintlichen Panikraum zu gelangen, gab es augenscheinlich aber nicht.
Sie warteten zehn Sekunden, dann folgten sie Eddie nach zu den Treppen. Sie liefen an der Rezeption vorbei und spähten über die Theke. Meier war tot, erwürgt. Der Schreck
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