Monströs (German Edition)
saß tief. Doch sie hatten keine Zeit, sich damit zu beschäftigen. Sie liefen weiter und bogen in den Seitengang.
Die Tür zum Vorzimmer des Direktors stand offen. Im Vorbeilaufen war es unvermeidlich, einen Blick in das Zimmer zu werfen. Das reichte. Abrupt blieben sie stehen. Söder lag leblos auf dem Boden. Im Hintergrund wurde Zurbriggens Büro von dem diffusen Licht des Computermonitors beleuchtet.
»Lauft ihr weiter, ich schaue kurz nach ihm«, sagte Martin.
Selma und Bumann blieb keine Zeit zum Widersprechen. Sie liefen weiter, denn Martin war bereits im Vorzimmer verschwunden.
Söder lag mit dem Rücken auf dem Boden. Seine Augen waren geöffnet und starr auf die Decke gerichtet. In seiner Stirn klaffte ein Loch von der Größe eines zwei Cent Stücks. Unter seinem Schädel hatte sich eine Pfütze aus Blut gebildet. Darin schwamm etwas Weiches, Undefinierbares. Als Martin langsam an Söder vorbeiging, erkannte er, dass es sich um Gehirnmasse und zersplitterte Schädelknochen handelte. Söder war nicht mehr zu helfen. Martin wollte sich nicht ausmalen, wie der Hinterkopf wohl aussehen musste, beziehungsweise, was davon übrig war. Nur beiläufig registrierte Martin, dass Söders Pullover in Nabelhöhe voll Blut gesaugt war.
Martin dachte an den Zettel, den er im Keller in Zurbriggens Folterkammer entdeckt hatte.
Du solltest in meinem Computer nachschauen!
Das und nicht Söder war der eigentliche Grund, warum er das Büro betreten hatte. Auf dem Weg vom Keller nach oben war ihm klar geworden, dass der Zettel bei Zurbriggens Leiche nur bedeuten konnte, dass Zurbriggens Computer gemeint war.
Er wusste die Zeit drängte, aber vielleicht war irgendetwas in diesem Computer, das ihm half, das Rätsel zu lösen, warum all diese Morde geschahen.
Um in das Büro des Direktors zu gelangen, musste er über Söders Leiche steigen. Er rutschte aus und fiel beinahe hin, als er in die Blutlache um Söders Kopf trat. Er trat hinter den Schreibtisch und betrachtete den Computerbildschirm. Den Bildschirmschoner hätte er unbeachtet gelassen und weggeklickt, wenn dieser nicht so auffällig anders gewesen wäre. Vor einem hellblauen Hintergrund lief ein rotes Band mit weißer Schrift von links nach rechts über den Bildschirm. Die Wörter bildeten nach und nach insgesamt vier Zeilen, bis der ganze Spruch abgebildet war. Dann fror das Bild für ein paar Sekunden ein. Im Anschluss begann das Spiel wieder vor einem leeren Hintergrund von vorne, bis der Reim wieder vollständig da stand. Martin kam zu einem Zeitpunkt, als die erste Zeile bereits stand. Seine Finger wollten gerade die Tastatur bedienen, so dass der Bildschirmschoner verschwinden würde, doch kurz davor stoppte er. Als die zweite Zeile komplett war, hatte sich ein erster Reim gebildet. Die Worte, die erschienen, waren eine Botschaft an ihn, das, wonach er in der Folterkammer im Keller vergeblich gesucht hatte. Wenn der Täter seinem Muster, das er bei Marianne Seewald begonnen hatte, folgte, nämlich die Reime, bei den sie betreffenden Leichen zurückzulassen, dann bezog sich dieser Spruch auf Söder:
Er sollte Leben schützen, doch er ging über Leichen,
Sein Herz war hart, ließ niemals sich erweichen,
Geld und Macht waren am Ende doch einerlei,
Dr. Tod ist tot, übrig bleiben nur noch zwei.
Martin drückte eine Taste. Der makabere Bildschirmschoner verschwand und er hatte den Desktop Bildschirm vor sich. Er klickte auf das Icon für den Explorer und sah, dass ein Wechseldatenträger angeschlossen war. Er klickte darauf und sah eine Datei mit dem Namen: Beweismittel. Er klickte darauf und fand insgesamt sechs Dateien, drei Fotos, zwei Tondateien sowie ein Word-Dokument. Er schaute hinunter auf das Computergehäuse. Vorne steckte der USB-Stick, auf dem die Dateien gespeichert waren. Er wusste, dass er schon viel zu lange hier war. Eddie musste inzwischen erkannt haben, dass der Trick mit dem leeren Fahrstuhl ein Ablenkungsmanöver gewesen war. Und diese Vermutung fand im gleichen Augenblick ihre Bestätigung. Dong, Dong, Dong, der Fahrstuhl hatte sich wieder nach unten in Bewegung gesetzt.
Martin zog den USB-Stick aus dem Slot und lief los. Er machte einen großen Satz über den toten Söder. Dabei fiel ihm etwas Glitzerndes an dessen Hosenbund auf. Ein Schlüsselbund. Martin drehte sich um und löste den Karabiner mit den Schlüsseln von Söders Hosenbund. Die Schlüssel waren blutig. Dann war er raus aus dem Zimmer und hielt auf die Treppen
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