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Monströse Welten 1: Gras

Monströse Welten 1: Gras

Titel: Monströse Welten 1: Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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Shoethai geschickt, und das hatte etwas zu bedeuten. Es bedeutete, daß weder Fumo noch Yavi etwas von der Lieferung erfahren durften. Wenn diese beiden es nicht wissen sollten, dann wußte der Ältere Bruder Jhamless Zoe es auch nicht, genausowenig wie Heiligkeit. Was wiederum bedeutete, daß nur Shoethai und Fuasoi von dieser Sache wußten, nur diese beiden.
    »Weißt du, was Moldies sind?« hatte der Ältere Bruder ihn eines Tages unvermittelt gefragt, während Shoethai das Büro des Älteren Bruders aufräumte.
    »Es sind irgendwelche Märtyrer«, hatte Shoethai erwidert.
    »Märtyrer der Letzten Tage«, hatte der Ältere Bruder präzisiert. »Eine Gruppe von Männern, die danach streben, das Ende herbeizuführen. Kennst du das Buch der Vollendung?«
    Shoethai stand mit offenem Mund da und schüttelte nur den Kopf. Natürlich hatte er dieses Buch noch nicht gelesen. Wenn Heiligkeit einen bei der Lektüre von Moldy- Büchern ertappte, wurde das mit der Exekution geahndet.
    Der Ältere Bruder mußte seine Gedanken gelesen haben. »Schon klar. Das Buch steht auf dem Index.
    Dennoch glaube ich, daß es dich interessieren würde. Ich werde dir eine Sondergenehmigung erteilen. Nimm das Buch mit, wenn du gehst, aber laß es niemanden sehen. Und ganz besonders mußt du darauf achten, daß Jhamless Zoe es nicht zu Gesicht bekommt.«
    Statt der erwarteten CD-ROM erhielt er ein echtes altertümliches gebundenes Buch. Der Ältere Bruder Fuasoi legte es auf den Schreibtisch, einen alten braunen Band mit dem Titel Buch der Vollendung, der in goldenen Lettern auf dem Einband prangte. Shoethai hatte das Buch in einer tiefen Tasche seiner Kutte versenkt und nur darin gelesen, wenn er allein war – was überwiegend der Fall war. Mittlerweile kannte er es fast auswendig und zitierte im Geiste immer wieder Abschnitte daraus.
    »In Licht gewandet, werden wir im Hause des Lichts wohnen«, rezitierte er nun still, während er den Tee durch die Zahnlücken sog. Nach dem Ende der Menschheit würde die Neue Schöpfung erfolgen. In der Neuen Schöpfung müßte er sich nicht mehr mit diesem Gesicht und dem Körper herumquälen. In der Neuen Schöpfung wäre er kein Krüppel mehr. Er würde sich pfeilschnell bewegen, gekleidet allein in Strahlung, schön wie ein Engel. Auf diesen Aspekt hatte der Ältere Bruder Fuasoi ihn ausdrücklich hingewiesen, den entsprechenden Abschnitt vorgelesen und ihm die Illustrationen gezeigt, doch Shoethai hatte es schon in dem Moment geglaubt, da er es selbst gelesen hatte. Als ob es allein für ihn verfaßt worden wäre. Das war auch nur fair. Wenn die Menschen in diesem Leben schon kein gutes Blatt hatten, dann hatten sie wenigstens im nächsten die Hand voller Trümpfe.
    »Warte die Veränderungen ab«, flüsterte er und nahm einen Schluck Tee. »Warte darauf, daß die Neue Schöpfung sich manifestiert.« Nach einer im Flüsterton erfolgten Auseinandersetzung mit dem Personal hatte der Geschäftsführer ihm den Tee selbst serviert. Shoethai betete still dafür, daß die Kellner als erste und unter Höllenqualen ausgelöscht würden. Selbstverständlich würde es qualvoll werden. Das hatte der Ältere Bruder Fuasoi ihm bereits mitgeteilt. Der Ältere Bruder Fuasoi hatte die Pest gesehen. Der Ältere Bruder Fuasoi hatte sogar ein ganzes Jahr in einem Pest-Lager verbracht. Der Ältere Bruder Fuasoi war ein Moldy. Er sagte, vor der Pest gäbe es kein Entrinnen.
    Nachdem der Ältere Bruder Fuasoi sich erst einmal als Moldy zu erkennen gegeben hatte, hatte Shoethai sich ihm nur zu gern angeschlossen, obwohl sie die beiden einzigen Moldies auf Gras waren und Jhamless Zoe ihre Liquidierung angeordnet hätte, wenn er ihnen auf die Schliche gekommen wäre. Für das, was die Moldies vorhatten, genügten aber zwei Leute. Zwei, so hatte der Ältere Bruder Fuasoi ihm gesagt, seien im Grunde schon mehr als genug.
    »Segne mich, o Schöpfer«, sagte Shoethai unhörbar, während er durch sein Spiegelbild auf die Gestalten schaute, die um das Schiff herumwuselten, »denn ich werde Dein Haus von der Häßlichkeit befreien.« Häßlichkeit an sich war eine Sünde wider die Schöpfung. Der Ältere Bruder hatte sogar suggeriert, daß der Schöpfer Shoethai bewußt mit diesem Gesicht ausgestattet hätte, um ihm ein bestimmtes Wissen zu offenbaren, das Wissen um die absolute Verworfenheit und Wertlosigkeit der Menschheit; und diese Botschaft hatte er in Shoethais Gesicht eingebrannt, auf daß jeder sie sehen möge. Der Ältere

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