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Monströse Welten 1: Gras

Monströse Welten 1: Gras

Titel: Monströse Welten 1: Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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Gekleidet war sie in einen bon- Reitmantel und eine geänderte Reithose.
    »Mutter!« rief Sylvan verblüfft.
    »Ich freue mich, daß ich wenigstens noch ein Kind habe, das mich ›Mutter‹ nennt«, sagte sie kühl. »Hast du Dimity gesehen, Sylvan?«
    Er senkte den Kopf. Im ersten Moment hatte es ihm die Sprache verschlagen. »Ja, ich habe sie gesehen. Ich weiß, in welchem Zustand sie sich befindet. Aber damit wirst du ihr auch nicht helfen«, murmelte er. »Du bist doch noch gar nicht wieder gesund…«
    »Ich habe Marjorie meine Hilfe versprochen, wenn sie sie braucht. Und nun braucht sie sie. Außerdem, wer sollte es sonst tun? Marjorie hat es mir vor ein paar Stunden gezeigt. Es ist gar nichts. Nichts verglichen mit dem, was ich in meiner Kindheit und als Obermum getan habe. Auch noch, als du schon geboren warst, Sylvan. Ich glaube, daß ich genug Erfahrung habe für diesen Ritt. Hast du Emmy gesehen, Sylvan? Sie sieht fast so aus wie Dimity. Aber die Ärzte sagen, daß sie bald wieder gesund wird.«
    »Vater hat das getan«, sagte er tonlos.
    »Ich mache Stavenger keinen Vorwurf«, sagte sie. »Welchen Sinn hätte das auch bei einem Toten? Die Hippae sind schuld daran. Ich mache den Verantwortlichen einen Vorwurf, und das sind schon immer die Hippae gewesen.«
    »Die bons und die Füchse tragen auch einen Teil der Verantwortung«, sagte Marjorie hitzig. »Die Füchse haben sich der Unterlassung schuldig gemacht. Sie haben die Hände in Unschuld gewaschen. Sie haben es toleriert. Und als es dann zur Katastrophe kam, verlegten sie sich auf philosophische Diskussionen. Als die Menschen Gras kolonisierten, übernahmen die Füchse von ihnen neue Paradigmen wie Schuld und Vergebung und diskutierten darüber. Sie führten umfassende theologische Dispute und sandten Bruder Mainoa aus, auf daß er herausfinde, ob Gott ihnen vergeben würde. Sie erörterten das Konzept der Erbsünde und der Kollektivschuld. Das tun sie bis zum heutigen Tag. Sie wollen aber nicht begreifen, daß Reue manchmal kontraproduktiv ist.« Vor lauter Wut zog sie den Sattelgurt so stramm, daß Don Quixote ungehalten schnaubte.
    »Mutter«, sagte Tony. »Tu es nicht.«
    »Verdammt, Tony, wir sind auf sie angewiesen. Sie sind große, starke Wesen, die sogar imstande waren, sich gegen noch schrecklichere Entitäten zu verteidigen, die vor langer Zeit existierten. Nun haben sie allen weltlichen Aktivitäten entsagt. Sie meditieren nur noch und diskutieren. Aber sie treffen keine Entscheidungen mehr.«
    »Sie haben aber die Entscheidung getroffen, dir zu helfen«, wandte Rigo ein. Sie hatte ihm nämlich die Geschichte von den Kletterern erzählt.
    »Ach«, knurrte sie. »Ach. Einer hat mir geholfen. Ganz allein. Und gegen ein Dutzend Hippae wird er wohl auch nichts ausrichten. Die anderen hocken auf den Bäumen und meditieren. Sie fragen sich, was sie tun sollen, falls sie überhaupt jemals etwas tun. Ich habe in der Baumstadt den Fehler gemacht, die beiden Kletterer nicht zu töten. Damit habe ich ihnen ein gutes Beispiel gegeben. Sie sind allzugern bereit, einem guten Beispiel zu folgen, wenn das nur bedeutet, daß sie passiv bleiben dürfen und keine Verantwortung für eventuelle Aktivitäten übernehmen müssen.«
    Zum wiederholten Mal überprüfte sie die Lanze, die aus einer festen Leichtmetallegierung bestand und mit einem Abzug versehen war, der ein großes Lasermesser aktivierte; eins von der Art, das sie ihren Bediensteten zum Heumachen gegeben hatte. Das Messer war an der Speerspitze aufgepflanzt, wobei seine Masse durch ein Gegengewicht am Ende der Lanze ausgeglichen wurde. Die Lanzen und die Rundschilde, die sie mitführten, waren von Roalds Leuten angefertigt worden. Die Schilde dienten als eine Art Brustpanzer und verfügten über einen Haken, in den die Lanzen eingesteckt wurden. Um das Gewicht zu minimieren, wurden Brust und Flanken der Pferde durch eine Art metallischen Schuppenpanzer geschützt. Die Brustpanzer waren Rigo noch aus der Zeit in Erinnerung, da die alten Rittersleut’ sich mit schweren Lanzen abmühten, die genau waagrecht gehalten werden mußten.
    Bei diesen leichten Lanzen kam es jedoch nicht darauf an, in welchem Winkel sie gehalten wurden. Vielmehr war die Wirkung um so stärker, je mehr Drall sie hatten. Weil die Spitze quasi um die Lanze kreiste, war sie eine verheerende Abstandswaffe. Gleichzeitig trug der Haken zur Stabilisierung bei und verhinderte, daß die Spitze unfreiwillig Bodenkontakt bekam –

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