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Monströse Welten 1: Gras

Monströse Welten 1: Gras

Titel: Monströse Welten 1: Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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gleichzeitig sich selbst. Er hatte auch so manches zurückgelassen. Ein Mädchen, das ihm am Herzen lag. Freunde, die ihm etwas bedeuteten. Pläne für eine Ausbildung und den weiteren Lebensweg. Er wollte, daß dieses Opfer wenigstens einen Sinn hatte und daß er nicht umsonst auf dieser unbehaglichen, kalten Falschfarbenwelt einen Teil seines Lebens verbrachte. Tony wußte auch nicht, weshalb sie hier waren, aber er hatte Marjorie vertraut, als sie ihm sagte, daß es wichtig sei. Tony war genauso vertrauensvoll, wie Marjorie es gewesen war, als sie in seinem Alter geheiratet hatte.
    »Wir werden an der Jagd teilnehmen«, sagte Rigo mit fester Stimme. »Bis dahin werden die Pferde wiederbelebt sein.«
    »Nein«, widersprach Marjorie kopfschüttelnd. »Offensichtlich dürfen wir nicht teilnehmen.«
    »Mach dich doch nicht lächerlich.« Er sagte es, wie schon so oft, ohne nachzudenken, und bereute es auch sofort, als er den Schmerz auf ihrem Gesicht sah.
    »Rigo, mein Liebling, du glaubst doch nicht etwa, daß ich mich vor der Jagd drücken will.« Sie lachte, ein Lachen, mit dem sie auf ihre Art ausdrückte, daß er ein ungehobelter Klotz war. »Der zugeknöpfte Obermun bon Haunser hätte fast die Contenance verloren, als ich nur erwähnte, daß wir als Beobachter mitreiten wollten. Offensichtlich ist schon eine andere Disposition getroffen worden.«
    »Verdammt, Marjorie. Wozu bin ich denn hierhergeschickt worden? Wozu du? Doch nicht nur wegen der Pferde!«
    Sie versuchte erst gar nicht, darauf zu antworten. Darauf gab es nämlich keine Antwort. Er sah sie grimmig an. Stella schaute kichernd zu und freute sich über den Zwist. Tony räusperte sich unbehaglich, wie er es immer tat, wenn er Zeuge eines Konflikts zwischen ihnen wurde.
    »Sicher«, sagte er leise, »sicher…«
    »Ich dachte, unser Aufenthalt hier hätte einen wichtigen Grund«, spöttelte Stella, womit sie jedoch unwillentlich den Zorn ihres Vaters von Marjorie ablenkte und auf sich zog.
    »Wir hätten kaum eine andere Möglichkeit gehabt«, entrüstete er sich. »Unsere Lebensplanung ist auch umgestürzt worden, und uns gefällt es auf Gras auch nicht besser als dir. Wir würden genauso wie du lieber zu Hause sein und ein normales Leben führen.« Mit der Peitsche schlug er nach einer Samenkugel. »Was soll das heißen, wir reiten nicht mit?«
    »Ich weiß nicht, weshalb wir nicht an der Jagd teilnehmen dürfen«, sagte Marjorie beschwichtigend, »aber es steht fest, daß wir es nicht dürfen. Mein Rat, Botschafter, besteht darin, daß wir das tun, was dieser zugeknöpfte Haunser für uns arrangiert hat, bis wir herausgefunden haben, was hier vorgeht. Wir sind schließlich keine bons, und Obermun bon Haunser hat mir dargelegt, daß weder Heiligkeit noch Terra das geringste von Gras wissen.«
    Rigo wollte schon zu einer Replik ansetzen, wurde jedoch durch ein Geräusch davon abgehalten. Wie das Stöhnen einer gequälten Seele, sofern sie eine Stimme wie ein Donnerhall oder ein Wasserfall hatte. Es war ein ganz ursprüngliches Geräusch, wie es von einer kleinen Welt hervorgebracht wurde, die auseinandergerissen wurde, und dennoch zweifelten sie nicht daran, daß es einer Kehle und Lungen und einem wie auch immer gearteten Körper entsprungen war. Etwas, das nur benannt werden konnte, wenn man wußte, worum es sich handelte. Ein verzweifelter Schrei der Einsamkeit.
    »Was?« keuchte Rigo, reglos und angespannt. »Was war das?«
    Sie warteten, bereit zur Flucht. Nichts.
    In der kommenden Zeit sollten sie diesen Schrei noch einige Male hören. Fragen nach dem Urheber dieser Laute wußte niemand zu beantworten.
     
    El Dia Octavo wurde aus einem bösen Traum in die rauhe Wirklichkeit zurückgeholt. Die Füße hatten keinen Bodenkontakt, und er schlug schwächlich um sich. Eine unverständliche Stimme drang durch den Vorhang aus Schmerzen. »Laß die Schlinge runter, du Narr, und laß ihn runter.«
    Der Hengst bekam festen Boden unter die Hufe und stand zitternd und mit hängendem Kopf da. Er nahm die Witterung der anderen auf. Sie befanden sich ganz in der Nähe, aber es gelang ihm nicht, den Kopf zu heben und sich nach ihnen umzuschauen. Statt dessen blähte er die Nüstern und sog den komplexen Geruch ein, der von ihnen allen verströmt wurde. Eine Hand fuhr ihm über die Flanke und den Hals. Nicht ihre Hand. Eine gute Hand, aber eben nicht ihre Hand. Auch nicht seine Hand. Es war der Männlich-Eine, der Ähnlichkeit mit ihr hatte, und nicht die

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