Monströse Welten 1: Gras
ihre Bewegungen fast miteinander verschmolzen. Streiflichtartig dachte sie an den Rat, den sie Tony erteilt hatte, und lächelte still. Sie wurden von den anderen Paaren umkreist, und es wurde ruhiger, während die bons miteinander flüsterten. Sylvan war immer für eine Überraschung gut. Schaut – Sylvan! Sylvan bon Damfels…
Vielleicht war es gerade die Stille, die Rigos Aufmerksamkeit erregte. Er stand auf dem Balkon, am Eingang zur Herrentoilette, und erblickte die in Sylvans Armen kreisende Marjorie. Er spürte, daß die Lippen sich zu einem Knurren verzogen. Sie tanzte mit dem jungen bon Damfels, als ob er ein alter und guter Freund wäre. Oder ein Liebhaber.
Er versuchte, seine Gesichtszüge am Entgleisen zu hindern. Er durfte jetzt nicht knurren oder fluchen, wie er es manchmal tat, wenn er sie so zufrieden sah, beim Dressurreiten oder bei einem schlichten Spaziergang im Garten. Zuweilen erschien ein gewisser Ausdruck auf ihrem Gesicht, ein Ausdruck unbewußter Freude, der einem Teil von ihr entsprang, den er immer begehrt hatte, ein anderes Wesen, das sich ihm jedoch nie offenbarte, wenn er mit ihr zusammen war. Dieses Wesen hatte er in der Arena oder auf der Jagd gesehen, während sie durch die grünen Wiesen auf die hohen Zäune zuritt und das Wasser übersprang, der Gefahr ins Auge sehend, wie ein Vogel, der sich trällernd in die Lüfte schwang. Er wollte diesen Vogel festhalten.
Er hatte Marjorie umworben und Marjorie gewonnen, aber er hatte nie das bekommen, was er wirklich wollte. Er hatte ihre Seele gesucht und nur den Körper gefunden, eine Leere, die er nicht erwartet hatte, eine verlassene Zitadelle, die er immer und wieder erstürmen konnte, ohne etwas zu erreichen. Im Bett verwandelte sie sich in eine andere Person, die weiße Nachthemden mit Blümchendessin trug, die man eher an kleinen Mädchen vermutet hätte, mit einem zerbrechlichen Körper, wobei sie den Blick in die Ferne gerichtet hatte, auf etwas, das zu sehen ihm verwehrt blieb. Er hatte alles versucht bei ihr und sich manches nur für sie einfallen lassen, aber noch nie war sie mit dem Gesichtsausdruck aus dem Bett gestiegen, den sie nun beim Tanz mit Sylvan bon Damfels hatte, verzückt im Rhythmus sich wiegend, mit halb geschlossenen Augen und diesem bezaubernden Lächeln, das, wie er einst geglaubt hatte, ihm allein gehören würde.
Andreas Stimme ertönte in seinem Ohr, konspirativ wie ein Maulwurf: »Persun sagt, man registriert Ihre Abwesenheit.«
Er lächelte und verließ den Balkon, wobei er nach Frauen mit schönen Gesichtern Ausschau hielt, mit Körpern, denen er bewundernde Blicke schenken konnte, die alles versprachen und nichts hielten. Es war ein Spiel, nur ein Spiel.
Nun verließ Sylvan Marjorie und nahm mit berechnendem Charme Stella aufs Korn. Marjorie nahm sich noch ein Glas Fruchtsaft und ging zu Geraldria bon Maukerden, um gemeinsam mit ihr in heuchlerischer Bewunderung die Kleider der Frauen zu bestaunen, mit den phantastischen Stickereien und dem Perlenbesatz. Auch das war ein für Gras typisches Spiel, mit eigenen Regeln und eigener Etikette. Persun hatte sich kundig gemacht und sie dann instruiert.
Rigo schwebte auf der Tanzfläche an ihr vorbei und lächelte sie über die Schulter seiner Partnerin hinweg strahlend an.
Über ihnen, an der Terrassentür, sah Marjorie Eugenie. War auch ein Tanzpartner für Eugenie vorgesehen? Welcher bon? War es überhaupt ein bon? Vielleicht würde sie Sylvan bitten müssen, mit der Mätresse ihres Mannes zu tanzen. Obwohl es durchaus möglich war, daß Shevlok dazu gar nicht erst aufgefordert werden mußte. Er befand sich nämlich in der Nähe der Tür und schaute auf Eugenie, die dort mit irgendeiner anderen Person stand.
Mit einem Mädchen? Aber es waren doch weder Mädchen noch junge Frauen anwesend. Außer Stella, und die tanzte gerade mit Sylvan. Marjorie, die Verdruß witterte, setzte das Glas ab.
Eugenie und ihre Freundin kamen durch die Terrassentür. Eugenie war ganz in Rose gewandet, wobei das Kleid sich wie eine Wolke in der Abenddämmerung bauschte, und die andere trug ein ähnliches Kleid in Violett. Das Haar hatte sie hochgesteckt. Sie folgte Eugenie, wobei sie deren elegischen Gang imitierte; den Kopf hatte sie zur Seite gedreht, so daß sie den Raum mit einem seltsamen, schielenden Blick aus einem Auge überflog…
Schweigen legte sich über die Gesellschaft. Zuerst schaute nur einer hin und verstummte. Dann sah jemand anders in diese Richtung. Ein
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