Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Monströse Welten 3: Toleranz

Monströse Welten 3: Toleranz

Titel: Monströse Welten 3: Toleranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
Vom Netzwerk:
sagte Danivon pikiert. »Deshalb habe ich ihn nicht angezeigt. Das wäre unschicklich gewesen.«
    Sie starrten ihn an, und er sie. Keiner verstand den andern.
    »Unsere Aufgabe ist, die Vielfalt zu beschützen«, sagte er verkniffen, »die Vielfalt, in der die Antwort auf die Große Frage verborgen ist, die Vielfalt, die die Essenz der Menschheit ist! In dieser Vielfalt werden immer aus irgendwelchen Gründen Kinder getötet. Wenn das Töten den Gepflogenheiten dieses Orts entspricht, dann ist es angemessen. Aber dieser alte Mann hat Kinder über die Grenze gebracht. Er hat sich in die Angelegenheiten einer Provinz eingemischt! Hier auf Woanders lassen wir einander in Ruhe.«
    Nela zitterte vor Wut. Bertran drückte ihre Schulter und sagte leise: »Es gibt noch vieles, das wir über Woanders lernen müssen. Ich glaube nicht, daß uns ein Kommentar zusteht. Noch nicht.«
    Fringe schaute Nela flehentlich an, doch die drehte den Kopf und überflog die Lagune. Sie wollte etwas sagen, doch Bertran kniff sie. Es war ein altes Signal zwischen ihnen, mit dem sie sich entschuldigten. In stummer Übereinstimmung gingen sie zu den sanitären Einrichtungen am oberen Ende der Treppe.
    »Wohin hat es uns da verschlagen?« flüsterte Nela, während sie die Treppe hinaufgingen.
    »An einen Ort, über den wir keine Kontrolle haben«, erwiderte er einsichtig. »Ich glaube, wir sollten uns einen Raum zum Atmen schaffen und uns mit Urteilen zurückhalten.«
    »Aber ich mochte sie! Ich mochte sie wirklich, Berty! Danivon mochte ich auch. Aber sie haben keine höhere Moral als ein Schwein oder ein Tiger«, rief sie.
    Bertran zuckte die Achseln, worauf seine Zwillingsschwester schauderte, und flüsterte: »Schau, Nela, wir sind in einer religiösen Familie in einer Kleinstadt aufgewachsen. Wir gingen in eine kirchliche Schule, die, wie du zugeben wirst, kaum ein Mikrokosmos der richtigen Welt ist. Dann gingen wir zum Zirkus, und außer ein paar wilden Egos waren wir auch dort von der Welt isoliert. Ich bin mir nicht sicher, ob wir überhaupt jemals Kontakt mit der richtigen Welt hatten! Wir sollten deshalb nicht vorschnell urteilen.«
    Sie schüttelte trotzig den Kopf.
    »Zumal«, fuhr er fort, »wir auf sie angewiesen sind, Nela. Wir haben gar keine Wahl. Selbst wenn wir nun beschließen, diese Welt und all ihre Bewohner zu verabscheuen – einschließlich Fringe und Danivon, die, wie du selbst sagtest, wirklich nett zu uns gewesen sind –, sitzen wir hier fest.«
    »Das ist mir egal«, sagte sie starrköpfig.
    Er schüttelte sie. »Wenn du nicht die Märtyrerin spielen willst, können wir unsere Freunde nicht zurückstoßen, nur weil sie nicht… vielleicht nicht die Freunde sind, die wir uns zu Hause gesucht hätten.«
    Sie biß sich auf die Lippe und sagte nichts mehr.
    Während Fringe den Zwillingen betrübt nachschaute, stapelten die anderen die Ausrüstung, um sie wieder auf die Zimmer zu bringen. Sie waren gerade fertig damit, als ein Schrei, der über das Wasser herüberdrang, ihre Aufmerksamkeit von der Ausrüstung auf ein sich näherndes Zubringerboot lenkte.
    Fringe hörte den Schrei auch und drehte sich um; sie war noch immer derart in Gedanken versunken, daß sie zuerst glaubte, die alte Frau auf dem Bootsdeck sei Tantchen oder Nada, die wieder auferstanden waren. Die alte Frau schaute sie mit diesem wachsamen Eulenblick an, der typisch gewesen war für Fringes Verwandte, ein Blick, der ihre Seele nach etwas Eßbarem zu durchsuchen schien. Als das Boot näher kam, sah sie jedoch, daß es sich weder um Nada noch Tantchen handelte, sondern um eine noch ältere Frau, die nur noch Haut und Knochen war. Der Mann, der sich neben ihr auf einen Stock stützte, war auch sehr alt, aber nicht so alt wie sie, und Fringe erkannte sie!
    Curvis setzte eine Ladung Jonglierobjekte ab und fing die Leinen auf, welche die Ruderer ihm zuwarfen. Die anderen sahen von ihren Verrichtungen auf. Als die Planke ausgelegt wurde, tappte die alte Frau darüber, ohne den Blick von Fringe zu wenden. Ein Schemen folgte ihr und bewegte sich, als sie mit schriller Vogelstimme rief: »Hier, Fringe Owldark! Hilf mal einer alten Frau!«
    Fringe trug sie die Planke hinunter. Sie hatte zwar den vagen Eindruck, daß sie nicht die einzige war, die der alten Frau half, doch sie war diejenige, die sie auf dem Anleger auf die Füße stellte und den Arm um sie legte, damit sie nicht weggeweht wurde.
    »Na, Mädchen, bist du aber eine Schönheit geworden«, rief die alte

Weitere Kostenlose Bücher