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Monströse Welten 3: Toleranz

Monströse Welten 3: Toleranz

Titel: Monströse Welten 3: Toleranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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war ihrem Besitzer lästig. Sie sollte solange ins Haus der Wiedergutmachung gehen, bis er sie wieder besteigen konnte.
    Die alte Frau, die nuschelnd die Namen auf ihrer Liste abhakte, erinnerte sie daran.
    »Haifazh? Bist du nun rein?«
    »Nein, Mahmi. Ich bin noch unrein.«
    Die alte Frau machte einen Vermerk. »Bulerah? Bist du Bulerah?«
    »Bin ich«, sagte die Frau.
    »Du wirst zu deinem Besitzer zurückgehen, wenn dein Kind abgestillt und verkauft ist. Ist dein Kind entwöhnt?«
    »Sie ist erst eine Woche alt, Mahmi«, sagte Bulerah.
    »Aha«, sagte die alte Frau, tapste weiter und machte noch einen Vermerk.
    »Du bist aber schon lange unrein«, sagte Bulerah erstaunt. »Dem Anschein nach ist dein Kind schon ein halbes Jahr alt.«
    Was Haifazh betraf, so würde die Unreinheit, die sie anfangs getarnt hatte, indem sie sich selbst besudelte, ewig währen. Die alten Frauen machten sich nicht die Mühe, das zu überprüfen. Sie fragten nur und akzeptierten jede Antwort. »Stimmt«, sagte sie ruhig. »Wahrscheinlich bin ich aber gar nicht unrein, sondern krank. Ich wurde infiziert, als sie mich beschnitten und zunähten, nachdem mein Kind geboren war. Ich werde wahrscheinlich daran sterben.«
    Sie wollte unrein bleiben bis zu ihrem Tod, das stand fest. Woher diese Aufsässigkeit kam, wußte sie selbst nicht. Sie war aus heiterem Himmel entstanden, aus Schmerz und Furcht und einem in ihr lodernden Feuer, das nur durch Rache gelöscht werden konnte. Also würde sie unrein bleiben. Zumindest hatte sie im Haus der Wiedergutmachung ihre Ruhe. Sie durfte hierbleiben, solange sie fähig war, den Webstuhl zu bedienen. Dieser Ort war der Kemenate ihres Besitzers – dieses fetten, schwitzenden und kurzatmigen Gavers von einem Mann – auf jeden Fall vorzuziehen. Er hatte ihr immer in die Brüste gebissen, bis sie bluteten. Er war ein ekelhafter Sadist gewesen.
    »Ich kann es kaum erwarten, von hier zu verschwinden«, sagte Bulerah seufzend. »Es gefällt mir hier nicht.«
    »Bist du denn nicht im Turm aufgewachsen?« fragte Haifazh neugierig. »Ich schon.«
    »Ich bin in der Kemenate meines Erzeugers aufgewachsen«, sagte die andere stolz. »Meine Mutter war seine Lieblingsfrau, und ich war die Zwillingsschwester seines ältesten Sohns.«
    Haifazh schürzte die Lippen. »Gib nicht so an, Frau. Egal wo du aufgewachsen bist, du wurdest als Kind beschnitten und zugenäht; und mit zwölf oder so hat dein Erzeuger dich an deinen Besitzer verkauft, der dich früher oder später hierher schickte.« Sie machte eine ausladende Geste. »Nachdem du dein Kind geboren hattest, haben die Hebammen dich wieder beschnitten und so zugenäht, daß du kaum noch pinkeln konntest. Du hattest nur das Glück, dir keine Infektion zuzuziehen, an der nach der Beschneidung ein Fünftel von uns stirbt. Eine von fünf Töchtern stirbt. Bisher hast du Glück gehabt, aber das wird sich vielleicht ändern, wenn du deine Tage bekommst und das Blut sich in dir verklumpt. Das Saubermachen ist eine Quälerei. Und wenn du dann zu ihm zurückgehst, wird er dich noch schlimmer verletzen und von dir erwarten, daß du es stumm über dich ergehen läßt, wenn er dich nimmt. Und wenn du alt bist, Bulerah, bringen sie dich in den Hof der Entsorgung, wo man dir beim Sterben hilft. Kemenate oder Turm, im Grunde ist es egal, wo du aufgewachsen bist!«
    Die andere errötete und richtete den Blick auf ihr Kind.
    »Sie behandeln alle Frauen gleich schlecht«, murmelte Haifazh. »Wenn es aber keine Frauen mehr gäbe, würden sie schon merken, was sie an ihnen gehabt haben.« Sie stand mit Shira im Arm auf und schaute durch das große Fenster über den Hof der Entsorgung und die hohe Mauer, über eine Ecke der fye- Felder zum Fluß Fohm. Was sie dort sah, entlockte ihr einen Ruf des Erstaunens. Neugierig drängten sich nun die anderen Frauen am Fenster.
    Das Schiff, das am Dock festgemacht hatte, und der neben ihm auf dem Ufer geparkte Gleiter waren schon früher hier erschienen; wohl selten genug, um Aufmerksamkeit zu erwecken, aber keine ausgesprochene Sensation. Was jedoch neu war, waren die Frauen, Frauen, die mit unverhüllten Gesichtern herumstanden. Hinter ihnen befand sich eine schemenhafte, wundersame Erscheinung mit Schuppen und Hörnern oder auch Panzerplatten und Reißzähnen; auf jeden Fall handelte es sich um ein mysteriöses und riesiges, vertrauenerweckendes Ding mit einer intensiven Präsenz, das niemand eindeutig identifizierte. Ungeachtet der Anweisungen der

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