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Monströse Welten 3: Toleranz

Monströse Welten 3: Toleranz

Titel: Monströse Welten 3: Toleranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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Dame Bland. Einer sagte Litaneien auf, die alle paar Tage ausgewechselt wurden. Herz des Himmels, Mauer der Sehnsucht, Mund der Trauer. Großer Tempel der Liebe. Das war für Thob. All das durfte man sagen, doch Brannigan war tabu. Die Leute gaben vor, davon nichts zu wissen.
    Jacent klopfte sachte an Tante Syrillas Tür. Er hatte sie seit ein paar Tagen nicht mehr gesehen. Jemand mußte nach ihr sehen, um sich zu vergewissern, daß es ihr gut ging.
    Es erfolgte keine Antwort, doch das schenkten die Leute sich dieser Tage manchmal. Es war manchmal auch besser, nicht zu antworten. Er betätigte den Türöffner. Die Tür war nicht verschlossen. Er stieß sie auf. Der Raum schien leer zu sein. Etwas staubig und unordentlich, doch das war der Normalfall dieser Tage, wo viele der automatischen Systeme defekt waren und mangels Personal nicht repariert wurden.
    »Tante Syrilla?« Die Türen der Suite standen offen. Das Schlafzimmer war auch leer. Das Bad. Er betrat den Wandschrank.
    Es war fast so, als ob er gewußt hätte, daß sie dort war. Ihr purpurnes Gesicht hing über die Kante des obersten Fachs, und der Rest von ihr war in die Ecke gequetscht.
    Jacent schaffte es gerade noch ins Saniton. Ihr Blut war an der Wand herabgelaufen und auf die Kleidung getropft. Er atmete tief durch und versuchte den Anblick zu verdrängen. Solche seltsamen und unglaublichen Todesfälle geschahen immer wieder, und wer das gesehen hatte, rechnete fortan damit, daß es ihn als nächsten erwischen würde. Und dann behauptete jemand, er hätte eine Vision dessen gehabt, was der Gott wollte, worauf alle Bürger von Toleranz tanzten und sangen oder sich in lächerlichen und sinnlosen Ritualen ergingen. Immerhin hörte das Sterben dann für eine Weile auf.
    Nachdem er sich erholt hatte, huschte er wieder in den Korridor und hätte dabei fast Boarmus umgerannt.
    »Ich habe dich gesucht, Junge«, wisperte Boarmus. »Komm mit.« Er bog in einen Seitengang ein und zerrte Jacent in einen Personaleingang, um einer Gruppe von mehreren hundert Leuten auszuweichen, die zu den Klängen von Trommeln und Zimbeln durch den Korridor robbten. Jacent versuchte ihn zurückzuhalten und erzählte ihm hektisch, was er gesehen hatte.
    »Ich weiß«, sagte Boarmus. »Ich habe sie heute morgen gefunden.«
    »Wo…«, keuchte Jacent. »Wo sind wir?«
    »In der Garage«, sagte Boarmus. »Ich schicke dich nach Panubi.«
    »Mich?!«
    »Dich. In einem ZT-Vierunddreißig. Das ist das einzig noch verfügbare Gerät, das dich in einem Rutsch dorthin bringt. Ich vertraue auf deine operativen Fähigkeiten.«
    »Aber ich kann die Vierunddreißig gar nicht fliegen«, nörgelte der Junge. »Ehrlich, Boarmus. Ich bin erst einmal in einer mitgeflogen.«
    »Es ist die einzige Möglichkeit«, sagte Boarmus. »Mit jedem anderen Gleitertyp müßtest du zwischenlanden und den Akku aufladen, und dann hätten sie dich sofort am Wickel.«
    »Komm mit mir«, bettelte der Junge. »Du kannst ihn doch fliegen.«
    »Das geht nicht.« Er lachte rauh. »Ich hätte es nie für möglich gehalten, einmal ein solches Pflichtbewußtsein zu entwickeln, aber ich muß hierbleiben. Ich werde versuchen, ein paar von uns am Leben zu erhalten. Falls ich dazu in der Lage bin.«
    »Dann schick einen Piloten.«
    »Welchen Piloten? Wo denn? Siehst du irgendwo irgendeinen Piloten? Siehst du Wartungspersonal? Siehst du Kuriere? Siehst du Wachen? Benutze deinen Kopf, Junge. Du wolltest doch immer Action. Nun hast du sie. Entweder machst du dich mit dieser Maschine vertraut, oder der Mai ist für dich vorbei. Womit wir alle wahrscheinlich eh rechnen müssen.«
    »Sie werden mich nicht töten, wenn ich mich vor ihnen verneige!« schrie Jacent in das müde Gesicht vor sich. »Wenn ich mich an den Ritualen beteilige. Wenn ich krieche. Sie werden mich nicht töten, wenn ich vor ihnen krieche!«
    Boarmus schüttelte ihn so heftig, daß Jacents Kopf hin- und herflog. »Vielleicht nicht heute. Vielleicht werden sie bis morgen warten. Dann werden sie vielleicht eine Anklage wegen Häresie erheben, nur so zum Spaß. Und dann stellen sie neue Regeln auf und töten jeden, der sie nicht kennt. Jacent, erinnere dich an Metty. Sie hat niemandem etwas getan. Was hat Syrilla getan. Was hat sonst jemand von uns getan? Begreifst du denn nicht, was hier vorgeht? Du sagst, du seist imstande, gefährliche Situationen zu vermeiden. Du erwartest Logik. Du erwartest gesunden Menschenverstand. Und du verstehst nicht, was vorgeht.«
    Jacent

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