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Monströse Welten 3: Toleranz

Monströse Welten 3: Toleranz

Titel: Monströse Welten 3: Toleranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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Herzen lagen – den Regeln und Ritualen, die Cling für seine Jünger implementieren wollte, dem Katechismus und der Theologie, die Breaze für seine Gemeinde aufstellen wollte.
    Breaze hatte beschlossen, sich der Treue seiner Anhänger dadurch zu vergewissern, indem er von ihnen verlangte, an unlogische Dinge zu glauben. Er würde ihnen aufgeben zu glauben, daß Breaze Woanders und seine Bevölkerung genau vor tausend Jahren an einem Tag erschaffen habe, aus dem Nichts! Aber… (ein genialer Schachzug) er würde Beweise für das Gegenteil im Archiv deponieren! So dürften sie ihren Sinnen nicht mehr trauen, um an Breaze zu glauben!
    Als er an diesem Punkt angelangt war, fragte eine kleine Stimme, weshalb er die Menschen dann überhaupt mit diesen Sinnen ausgestattet habe. Wieso hatte er ihnen Intelligenz verliehen, wenn er ihre Anwendung verbieten wollte?
    Der Große Kriecher erinnerte sich nicht, die Menschen erschaffen zu haben, obwohl er es getan haben mußte. Er erinnerte sich nicht, weshalb er ihnen die Fähigkeit verliehen hatte, logisch zu denken und eigenständig zu handeln. Wieso hatte er sie mit Intelligenz ausgestattet?
    Breaze, der über diesen Fragen brütete, bemerkte nicht, daß das Netzwerk an der Mauer gestoppt hatte. Die anderen im Kern, die sich mit ähnlichen Fragen befaßten, sahen es auch nicht. Die Zeit verstrich, ohne daß eine Rückmeldung eingegangen wäre; schließlich fielen sogar die mobilen Ohren und Augen hinter der Mauer aus. Solange sie in der Luft oder im Wasser gewesen waren, hatten sie funktioniert, doch durch den Kontakt mit dem Erdboden, einem Baum oder Stein waren sie irgendwie lahmgelegt worden. Schließlich hatten alle Geräte versagt, und der stete Informationsfluß aus dem Westen versiegte.
    Der Große Krabbel-Gott hatte eine Hochzeit vorbereitet, eine überaus komplizierte und esoterische Zeremonie, die eine rituelle Defloration mit darauffolgender Verstümmelung der Genitalien vorsah. Cling hatte sich eine neue, raffinierte Form des Opfers einfallen lassen. Es dauerte eine Weile, bis sie wußten, was los war.
    Zuerst guckten sie dumm und stießen dann ein Geheul aus, das im Netzwerk und in den Knoten widerhallte. Nachrichten gingen ein, die jedoch nicht mehr so zuversichtlich waren wie zuvor. Magna Mater war auch gegen die Wand gerannt, als sie von Norden durchbrechen wollte. Therabas war von Süden gekommen und ebenfalls gescheitert.
    Das Versagen erzürnte sie. Sie schlüpften in ihre Götter-Gestalten und marschierten auf das Zentrum des Kontinents zu, wobei sie in ihrem Zorn die auf dem Weg liegenden Provinzen zertrampelten.
     
    In Toleranz schlich Jacent durch einen verlassenen Gang zum Quartier seiner Tante Syrilla. Die Leute blieben dieser Tage meistens in den Quartieren. Die Monitore erweckten nicht länger den Anschein, den Status quo zu bewahren. Viele Beauftragte hatten sich in ihre Heimatprovinzen abgesetzt, und die paar, die noch die Stellung hielten, trugen nun Zivilkleidung.
    Allein die Frick’schen schienen von den Vorgängen mehr oder weniger unberührt. Das alles schien an ihnen abzuprallen. Sie hatten zwar Verluste, doch Frick’sche machten um nichts Aufhebens, selbst wenn sie verstümmelt wurden. Sie starben still oder desertierten still. Das macht keinen Spaß, sagte Jacent sich. Deshalb lassen die Brannigans sie auch in Ruhe. Ein phlegmatisches Volk, die Frick’schen. Boarmus sagte, am Ende würden bloß die Frick’schen überleben, und dann würden die Brannigans nur von den Frick’schen verehrt. Was zum Lachen war, denn die Frick’schen waren zu Befehlsempfängern, Dienern und Soldaten erzogen worden, genauso wie die Mitglieder des Aufsichtsrats zu Bürokraten und Bewahrern des Status quo erzogen worden waren. Da war es auch nur angemessen, daß ein selbsternannter Gott ausschließlich von Leuten verehrt wurde, die auf Gehorsam konditioniert worden waren. Genauso angemessen war es wohl, die Bürokraten abzuschlachten, die nur ihre Arbeit taten. Ironie par excellence!
    Nicht daß Boarmus diese Ironie erkannt hätte. Zumindest äußerte er sich nicht dahingehend. Er äußerte sich gar nicht, wenn er vielleicht abgehört wurde. Dennoch wußte inzwischen jeder über die Brannigans Bescheid. Die Leute flüsterten, doch niemand sprach es laut aus. Einer sagte Gewaltiger Krabbler, Großer Gott Cling hier, Großer Gott Cling da. Ein anderer sagte Großer Gott Breaze und Magna Mater. Wieder ein anderer erwähnte die Liebreizende und Entzückende

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