Monströse Welten 3: Toleranz
unter dem Spott der Kollegen gelitten! Was würden sie erst dazu sagen?
Das Wesen hatte etwas Schwierigkeiten mit dem Betreten des Wohnwagens. Die Stufen waren anscheinend nicht für seine Beine ausgelegt. Nachdem es erst einmal drin war, faltete das Wesen sich auf einem Stuhl zusammen und schlang die unteren Extremitäten um die Stuhlbeine. Damit bewies die Kreatur, daß der Verwendungszweck von Stühlen ihr geläufig war, auch wenn die Paßform nicht stimmte.
»Mein Name ist m’dk’v*dak’dm#« [Muh- klick- dak- klick- vau- raspel- dak- klick- dam- gurgel], sagte das Ding, wobei es eine Kette mechanischer Konsonanten ausstieß.
»Ich befürchte, ich habe Schwierigkeiten mit der Aussprache«, sagte Bertran mit einem verbindlichen Lächeln. Mit einem blütenweißen Taschentuch wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Die Atmung verlangsamte sich. Sowohl er als auch Nela wurden ruhiger. Das Ding wirkte überhaupt nicht bedrohlich. »Wäre es dir recht, wenn wir dich Sellerie nennen?« Er hielt sich das Taschentuch vor den Mund, um zu kaschieren, daß er sich auf die Lippe biß.
»Sellerie«, sagte der Außerirdische nachdenklich. »Gemüse. Eßbar. Erscheint angemessen. Nahrhaft. Oft gebraucht in Verbindung mit Riten und Feiertagen, die man mit Verwandten und engen Freunden verbringt. Wesentlicher Bestandteil regionaler Küchen. Keine negative Konnotation. Weshalb nicht Sellerie.«
Bertran nickte lächelnd, während er und Nela auf der Couch gegenüber dem einzigen Stuhl Platz nahmen. Für den Fall, daß sie mehrere Besucher hatten, waren im Schrank ein paar Klappstühle, aber in der Regel reichten die Couch, der Stuhl und der Eßtisch mit den beiden Bänken aus. Zu Hause hatten sie noch einen größeren Wohnwagen, den sie gekauft hatten, nachdem sie bei Tante Sizzy ausgezogen waren. Dieser hier wirkte plötzlich sehr beengt.
»Was verschafft uns die Ehre Ihres Besuchs?« fragte Nela ebenso verbindlich wie formell.
Sellerie brauchte eine Bedenkpause. »Ihr seid diejenigen… diejenigen mit Sprache, die uns auf diesem Planeten am ähnlichsten sind. Weil wir durch den Tod unseres berühmten, hochgeschätzten Kameraden gezwungen sind, eurem Planeten ein Geschenk zu machen, suchten wir Einen-uns-Ähnlichen, um ihm unser Angebot zu unterbreiten. Weil wir so sensibel sind, können wir nicht mit denen verhandeln, die uns nicht ähnlich sind.«
Auch ohne daß Nela und Bertran sich anschauten, ging ihnen dieselbe Frage durch den Kopf. Bertran hatte wie üblich den linken Arm um Nela gelegt. Nela hatte die Hände im Schoß gefaltet. Die Schenkel hatte sie zusammengepreßt, aber nicht zu fest. Das Herz schlug regelmäßig. Die Atmung war langsam und kontrolliert. Ihre Gefühle befanden sich im Einklang miteinander.
»Erklär uns das bitte näher«, sagte Bertran. »Wir verstehen nicht ganz.«
»Wir haben gewisse Attribute gemeinsam«, sagte Sellerie und machte eine Geste, die sie und ihn umfaßte. »Bedauerlicherweise sind die Personen auf diesem Planeten fast ohne Ausnahme vereinzelt, isoliert und unfähig, Gefühle zu zeigen. Ihr seid weder vereinzelt noch isoliert. Genauso wenig wie wir, obwohl unsere Erscheinung den Anschein erweckt. Während ihr Seite-an-Seite seid, sind wir viele-in-einem. Die Erfahrung lehrt uns, daß dies die richtige Daseinsform ist!«
Obwohl Bertran dieses Konzept nicht so recht verstand, beließ er es zunächst dabei. »Worum handelt es sich bei diesem Geschenk?« fragte er.
»Ich werde ins Detail gehen.« Sellerie knirschte leise und nahm eine noch verkrümmtere Haltung ein. »Wir sind ein Volk, dem die Mächte erst vor kurzem das große Zugeständnis gemacht haben.«
»Großes Zugeständnis?« fragte Nela.
»Die Erlaubnis, unsere Galaxis zu verlassen. Die Erlaubnis zu… expandieren.«
»Ihr braucht eine Erlaubnis?« fragte sie ungläubig. »Von wem?«
Sellerie machte eine vage Geste. »Ihr… ihr habt keinen Begriff für dieses Konzept. Ich habe eure Sprache vergebens durchsucht. Ich habe Worte gefunden wie: ›Quarantäne‹, ›Grenzposten‹, ›Ellis Island‹, ›Einwanderung‹, ›Quote‹… Keiner dieser Begriffe ist so ganz zutreffend. Ihr müßt eben akzeptieren, was ich sage. Wir haben erst kürzlich die Reiseerlaubnis erhalten. Nun sind wir unterwegs. Ihr würdet uns vielleicht als Pilger bezeichnen. Pilger auf dem Weg zum Heiligen Land.«
»Ich verstehe«, sagte Nela, obwohl sie gar nichts verstand.
»Wenn auf unserer Reise ein Kamerad stirbt – was
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