Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
drehen, und sie weiß nicht, ob sie jemals wieder runterkommen werden …
Danach …
Rücken sie ein Stückchen zur Seite, er legt seinen Kopf nach links, sie legt ihren Kopf nach rechts, und sie betrachten einander, verwundert, benommen. Er singt leise das Lied von Cabrel, Je t’aime à mourir, je t’aime à mourir , und sie küsst ihn langsam, wie eine wissende Frau.
Sie wird nie wieder dieselbe sein. Sie hat es getan.
Sie gehen hoch zu Zoés großem Bett.
Wir nehmen nicht den Aufzug, sagt Gaétan, wir machen ein Wettrennen die Treppe hoch, und er läuft als Erster los, und sie schreit, dass er schummelt, er schummelt, er hat nicht gewartet, bevor er losgelaufen ist. Sie weiß nicht genau, ob sie rennen kann. Sie hat die Beine einer Frau, den Körper einer Frau. Die Brüste einer Frau. Sie fühlt sich wie zerschlagen, geht mit gespreizten Beinen. Sie hat das Gefühl, als wäre sie mit einem Schlag gewachsen und jeder könne es sehen. In ihrem Kopf spielt sie den Film immer wieder von Neuem ab und denkt dabei, dass sie sich das alles niemals, niemals wieder wird ausmalen können. Sie ist traurig. Ein bisschen. Und dann ist sie nicht mehr traurig, weil ihr der Film gefällt. Sehr gut gefällt. Sie fragt sich, ob Emma genauso viel Glück hatte wie sie. Und Gertrude, sie hat es auch schon getan. Und Pauline? Sie läuft die Treppen hoch. Er bleibt stehen, sie holt ihn ein, er wirbelt sie im Kreis herum, wie im Ballett, sie küssen sich auf jeder Etage. Sie haben keine Angst mehr. Sie haben keine Angst mehr. Sie haben es getan.
Sie hat ein etwas dümmliches Lächeln im Gesicht. Er hat das gleiche dümmliche Lächeln im Gesicht. Außer Atem lehnen sie sich gegen die Wohnungstür. Sie lassen den Kopf sinken, die Arme, die Schultern, sie nähern sich einander, ihre Stirne stoßen aneinander, ihre Lippen berühren sich …
»Wir verraten es niemandem«, sagt Gaétan.
»Wir verraten es niemandem. Das ist unser Geheimnis«, antwortet Zoé.
Auch wenn sie es am liebsten der ganzen Welt verkündet hätte.
Es ist zehn Uhr morgens, als Gary und Hortense das Show Case, den Nachtclub unter dem Pont Alexandre III , verlassen.
Sie warten auf Peter und Rupert, die auf das Mädchen an der Garderobe einreden. Sie wollen sie mitnehmen, sie wollen, dass sie noch eine Freundin auftreibt, damit zwei plus zwei vier ergeben, und das Mädchen lächelt, ohne zu antworten, und wischt mit einem Finger den grünen Lidschatten weg, der sich um ihre müden Augen gesammelt hat.
Hortense und Gary stützen sich auf der steinernen Balustrade über der Seine ab. Sie seufzen wie aus einem Mund, ach, wie ist Paris doch schön!, und stoßen sich einträchtig mit dem Ellbogen an.
Ein bleiches Licht, irgendwo zwischen gelb und grau, spiegelt sich im schwarzen, sich kräuselnden Wasser, ein Nebelschleier flattert wie ein langes Stoffband. Ein Schiff fährt vorbei, die auf dem Vorderdeck liegenden Passagiere brüllen Frohes neues Jahr und recken ihnen eine Flasche entgegen. Sie antworten mit einem matten Winken.
»Sie wird nicht mitkommen«, sagt Gary.
»Und warum nicht?«
»Weil sie noch nicht Feierabend hat, weil sie vor Müdigkeit umfällt, weil sie Tonnen von Mänteln aufgehängt hat, Tonnen von Garderobenscheinen ausgegeben hat, weil sie die Nase voll hat von Nachtschwärmern, die sie anbaggern … und es gibt nur noch eines, wovon sie träumt: ihrem Bett.«
»Monsieur ist ein scharfsinniger Psychologe«, sagt Hortense lächelnd und streichelt Garys Ärmel.
»Monsieur beobachtet die Menschen. Und Monsieur hat große Lust, Sie zu küssen …«
Sie scheint zu zögern, schwankt ein wenig, schließt die Augen und beugt sich über das Geländer, das sich über das bucklige Pflaster des Uferweges spannt. Ein Lächeln zieht ihre Lippen in die Breite, ein leises Lächeln, das nur für sie selbst bestimmt ist.
»One penny for your thoughts« , sagt Gary.
»Ich denke an meine Schaufenster. In vierundzwanzig Stunden weiß ich Bescheid …«
»Du nervst.«
Peter und Rupert gesellen sich zu ihnen. Allein. Gary hatte recht, das Mädchen träumt von seinem Bett.
»Na, ihr Turteltäubchen? Feiert ihr den ersten Tag des Jahres?«, fragt Peter, während er seine Nickelbrille mit seinem Wollschal putzt, der überall Fusseln hinterlässt.
»Wir feiern gar nichts!«, erwidert Gary und löst sich demonstrativ von Hortense. »Und ich gehe jetzt nach Hause …«
»Warte auf mich«, ruft Hortense, als er mit hochgeschlagenem Mantelkragen, die Hände tief
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