Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
zu Denise Trompets Büro. Sah den Schreibtisch. Griff nach dem kleinen Schlüssel. Öffnete die Schublade. Durchsuchte die Mappen. Las die Etiketten. Sie brannte, sie brannte. Hielt einen Moment inne, um keinen Fehler zu machen, weder Unordnung noch eine Spur zu hinterlassen. Sie hatte Handschuhe angezogen. Entdeckte eine Mappe mit der Aufschrift »Marcel Grobz – Privat«, auf der ein Bleistiftspitzer lag. Öffnete sie. Da waren die Zugangscodes. In großen, mit rotem Filzschrift geschriebenen Ziffern. »Private Zugangsdaten« hatte die Trompete in ihrer gewissenhaften Schrift vermerkt. Sie nahm sie und legte sie auf den Kopierer. Der Lichtstrahl glitt über sie hinweg. Die Maschine spuckte ein bedrucktes Blatt Papier aus. Sie legte die Mappe zurück, legte den Bleistiftspitzer wieder schön gerade auf das Etikett. Schloss die Schublade, die Bürotür. Schaltete die Alarmanlage wieder ein. Schloss die Türen ab. Klack-klack-klack, überquerte sie den gepflasterten Hof. Tauchte für einen Moment ein in den Schatten der Glyzinie, um sich zu vergewissern, dass niemand sie gesehen hatte. Atmete den Duft der Blüten, und vor Glück weitete sich ihr Herz.
Sie entwischte durch die kleine Tür neben dem Tor.
Ein Kinderspiel …
Sie war beinahe enttäuscht.
Offenbar gewöhnte man sich an die Gefahr, an den Wagemut.
Gleich heute Abend würde sie ihren ersten Raubzug unternehmen. Eine erste Rate abbuchen …
»Mir scheint, wir haben da eine Kleinigkeit vergessen, Madame Grobz«, sagte Chaval, der neben Henriette kniete.
Er hatte sich mit ihr in der Kirche Saint-Étienne verabredet, in der kleinen Seitenkapelle der Heiligen Jungfrau. Sie waren allein. Die Kirche war leer. Kerzen brannten, Boten stummer Wünsche, die zum Himmel aufstiegen, und verwelkte Gladiolenzweige kitzelten die nackten Füße der Jungfrau Maria. Jemand sollte diese Blumen austauschen, dachte Chaval, der nun, da er bald reich sein würde, plötzlich großzügig gestimmt war.
»Es hat doch alles geklappt wie am Schnürchen … was wollen Sie denn noch?«, fragte Henriette Grobz mit gesenktem Kopf, die Hände gefaltet, als betete sie.
»Wir haben vergessen, die Höhe meines Anteils festzulegen …«
»Ihres Anteils?«, rief Henriette empört und zuckte unter ihrem großen, flachen Hut zusammen.
»Ja, Madame, meines Anteils. Mir scheint, dass ich einen nicht unerheblichen Beitrag zu dem geleistet habe, was Ihnen demnächst zufließen wird …«
»Sie haben doch kaum etwas gemacht!«
»Wie, ich habe kaum etwas gemacht? Wer hat Ihnen den Schlüssel der Schublade gegeben? Wer hat die brave Trompete vom rechten Weg abgebracht? Wer passt auf, dass alles gut geht? Ich, ich und nochmals ich.«
»Und wer ist in die Büros eingebrochen? Wer schaltet den Computer ein und überweist die Euros von einem Konto aufs andere? Wer geht das Risiko ein, dabei erwischt zu werden? Ich, ich und nochmals ich!«
»Ganz, wie ich sagte, wir sind ein Team … Zwei Komplizen. Wenn der eine den Pakt bricht, kommt der andere in Teufels Küche …«
»Hüten Sie Ihre Zunge, Chaval! Vergessen Sie nicht, wo Sie sich befinden …«
»Ich sage es gern noch einmal. Wir sitzen beide im selben Boot. Sie richten ohne mich genauso wenig aus wie ich ohne Sie. Also lassen Sie uns Seite an Seite marschieren, brüderlich und gleichberechtigt, und das Geld teilen … Fifty-fifty. Das ist mein letztes Wort …«
Henriette blieb die Luft weg, und sie drehte Chaval ihr wutverzerrtes Gesicht zu.
»Schämen Sie sich gar nicht? Eine arme Frau zu erpressen?«
»Und was ist mit meinem Gewissen? Haben Sie daran schon einmal gedacht? Wie viel ist mein Gewissen wert? Mindestens fünfzig Prozent, würde ich sagen …«
»Ihr Gewissen!«, stammelte Henriette außer sich. »Das ist keinen Pfifferling wert … Das ist faul wie ein Stück Aas und rührt sich erst, wenn man ihm auf den Schwanz tritt … Und das ist noch höflich ausgedrückt!«
»Drücken Sie sich höflich aus, wenn Ihnen das Spaß macht, Verehrteste, aber meine Forderung steht.«
»Ich weigere mich, Ihnen die Hälfte meiner Einkünfte abzugeben …«
»Unserer Einkünfte«, korrigierte Chaval sie höhnisch, hocherfreut darüber, dass es ihm gelungen war, sie in Rage zu bringen.
Die Alte geriet ins Schwimmen, sie erstickte vor Wut, sie hatte nicht damit gerechnet, dass er gierig werden würde. Er beugte sich zu ihr hinüber und murmelte mit träger, süßlicher Stimme: »Sie haben keine andere Wahl … und versuchen Sie ja nicht,
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