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Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Titel: Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena Moser
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starke Nebenwirkungen.»
    «Und wenn schon! Sag doch gleich, ich sei eine Diebin! Du willst mich gar nicht hier haben! Am liebsten wäre dir, ich wäre tot!»
    Stefanie sprang auf, die Decke fiel auf den Boden. Sie rannte aus dem Zimmer. Marie hinterher.
    «Stefanie, bitte, so hab ich es doch nicht gemeint!»
    Die Pubertät hatte Marie wohl übersprungen. Sie hatte sich immer auf ihren Verstand verlassen. Sie stand im Flur und schaute sich nach Stefanie um. Die Badezimmertür stand offen. Da war sie nicht. Auch nicht in Maries Arbeitszimmer, in dem sie während des Studiums gesessen und gelernt hatte, zwischen raumhohen Büchergestellen und gestapelten Fachzeitschriften und Papieren, emotionslos beobachtet von einem Skelett, das ihre Eltern ihr zum Studienbeginn geschenkt hatten. Unterdessen hatte Gion ihr Arbeitszimmer übernommen und ihre medizinischen Nachschlagewerke, ihre Papiere in den Keller verbannt. Gion brauchte Platz, um sich zu bewegen, wenn er seine Rolle lernte. Nur das Skelett war geblieben, es trug einen alten Filzhut und zwischen den grinsenden Zähnen eine halbgerauchte Zigarre. Gion nannte es Bruno: «Bruno geht mit mir den Text durch», sagte er immer. In den letzten Monaten hatte er sich in diesem Zimmer verbarrikadiert, hatte in dem weichen Sessel geschlafen, aus einer Whiskyflasche getrunken, die dort herumstand. Jetzt hatte er das Zimmer gelüftet, geputzt und zum Yogaraum umfunktioniert. Bruno wachte streng über Matten und Kissen, Räucherstäbchen und Kerzen. Nur für Marie gab es immer noch keinen Platz dort. Der einzige Raum, der ihr noch gehörte, war das Schlafzimmer, das von einem breiten Bett fast ganz ausgefüllt wurde. Maries Insel in einer Wohnung, die nicht mehr ihre war. Jetzt hatte Stefanie diese Insel besetzt. Die Tür war verschlossen, Marie hörte gedämpftes Wummern, Musik aus Kopfhörern. Sie klopfte an die Schlafzimmertür.
    «Geh weg! Ich hasse dich!»
    Marie ging zurück in die Küche. Aus einer angebrochenen Flasche schenkte sie sich ein Glas Rotwein ein. Er schmeckte sirupig. Früher hatten sie keine halbvollen Flaschen herumstehen lassen. Sie hatten sie ausgetrunken. Zusammen.
    Marie nahm einen großen Schluck. Der Wein würde ihre Kopfschmerzen schlimmer machen, oder besser. Sie setzte sich auf das Sofabett. Automatisch begann sie, die Decken glatt zu streichen, die Kissen zurechtzuschütteln, Schminktäschchen, Nagellack und zwei Schulbücher wegzuräumen. Laptop und Handy hatte Stefanie mitgenommen. Sie hatte keinen Grund, aus dem Schlafzimmer herauszukommen.
    Marie überlegte, ob sie Gion anrufen sollte. Was sollte sie ihm sagen? Komm nach Hause, deine Tochter hasst mich?
    Der Fernseher lief immer noch. Eine andere dicke Familie packte ihre Sachen zusammen, um auf eine Insel vor der kanadischen Küste auszuwandern. Marie konnte es ihnen nicht verdenken.
    Sie schenkte sich noch ein Glas Wein ein. Leerte die Flasche. Besser würde der Wein nicht werden. Dann kam Gion nach Hause.
    «Wo warst du?»
    «Wonach sieht es aus?» Er hob seine zusammengerollte Yogamatte hoch. Marie schaute auf die Uhr. Sie hatte es nicht tun wollen, aber sie wusste, wann die Yogastunde zu Ende war, schließlich hatte sie sie früher selber besucht.
    «Ja, ja, und danach sind wir noch was trinken gegangen. Erschieß mich!»
    «Gion …»
    «Nur Grüntee!» Er schaute auf das leere Rotweinglas in Maries Hand. «Weißt du, ich habe für mich entschieden, keine Giftstoffe in meinem Körper abzulagern. Kein Alkohol, kein Kaffee, kein Schwarztee, kein Zucker, kein Fleisch natürlich, kein Fett.»
    «Sondern?»
    «Wie bitte?»
    «Was bleibt dann noch?»
    «Also, gerade du als Ärztin solltest doch wissen, was Schlacken im Körper anrichten!»
    «Die Existenz von Schlacken ist wissenschaftlich nicht bewiesen», sagte Marie, und während sie es sagte, schüttelte sie den Kopf. «Ich wollte über etwas anderes mit dir reden – Stefanie.»
    «Stefanie? Sie hat mir eine SMS geschickt. Hab sie eben erst gesehen. Wo ist sie?»
    «Sie hat sich in unserem Schlafzimmer eingeschlossen.»
    «Was ist passiert?»
    «Wir hatten eine … Auseinandersetzung.»
    «Auseinandersetzung?»
    «Ich habe nur gefragt, ob sie meine Kopfwehtabletten genommen hat. Dann ist sie explodiert. Sie hat mich beschimpft, ist ins Schlafzimmer gestürmt und hat die Tür zugeknallt …»
    «Wundert dich das? Du beschuldigst sie des Diebstahls, was erwartest du?»
    «Ich hab sie nicht beschuldigt, ich hab nur gefragt.»
    Gion steckte

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