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Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Titel: Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena Moser
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von Marie. Und in welcher Serie er mitspielte. Poppy setzte sich mit ihrem Laptop aufs Sofa und googelte ihn («Schauspieler, verheiratet mit Ärztin»). Sie klickte sich durch eine Reihe von Bildern und erinnerte sich dann, dass sie einige Folgen der Serie Das Vorstadtspital gespeichert hatte. Sie schaltete ihren Fernseher ein und klickte sich durch eine erstaunlich lange Liste von gespeicherten Sendungen. Wann würde sie sich die alle ansehen? Manchmal wünschte sie sich, sie könnte sich auf andere Dinge so konzentrieren wie auf Fernsehserien. Fernsehserien konnten sie in ihren Bann ziehen wie kaum etwas sonst. Sie bildeten ihre einzige Insel im Alltag, den einzigen Ort, an dem sie die Stimmen der siebenhundert in ihrem Kopf durcheinanderkrähenden Affen nicht erreichen konnten. Fernsehserien und eine neue Liebe. Und, manchmal, Yoga.
    Die erste Serie, die sie bewusst wahrgenommen hatte, war Die Partridge-Familie gewesen. Jeden Mittwoch nach dem Klavierunterricht, den sie hasste, war sie nach Hause gerannt, so schnell sie konnte. Doch Fräulein Maurer behielt sie manchmal länger, so lange, bis sie eine bestimmte Tonfolge fehlerfrei spielen konnte, und Poppy wusste, bis sie zu Hause war, hätte Die Partridge-Familie bereits begonnen. Sie war wie alle Mädchen in ihrer Klasse in David Cassidy verliebt. Am Donnerstagmorgen wurde auf dem Pausenhof die letzte Folge diskutiert. Poppy hasste es, wenn sie nicht mitreden konnte. Wenn sie den Gesprächsfetzen zuhörte und feststellte, dass sie wieder einmal das Wichtigste verpasst hatte.
    Später hatte sie Dallas und Denver-Clan geschaut, heimlich auf einem winzigen Fernseher mit Antenne, den sie in ihrem WG-Zimmer versteckte. Um es zu vertuschen, ließ sie laute Musik laufen, und hielt die kleine Kiste ganz nah vor ihr Gesicht. Erst nach einem Jahr hatte sie gemerkt, dass alle anderen WG-Mitglieder ebenfalls jeden Dienstagabend um Viertel vor zehn, wenn Dallas lief, in ihren Zimmern verschwanden. Nach einer klärenden Aussprache wurde das Serienschauen auf dem großen Fernseher im gemeinsamen Wohnzimmer zu einem beliebten WG-Ritual.
    Wirkliche Erlösung brachte aber erst der Videorekorder. Poppy nahm alle Folgen auf und schaute dann immer drei oder vier hintereinander, wenn die Kinder schliefen. Nur so konnte sie sich entspannen. Vor dem Fernseher konnte sie sogar einschlafen. Sobald sie ihn ausschaltete, drehten sich wieder hundert Gedanken in ihrem Kopf wie Grillhähnchen am Spieß.
    Poppy schaltete den Fernseher leiser und den Computer an. Sie öffnete ein Programm, das Lukas ihr kürzlich heruntergeladen hatte, und richtete einen einfachen Blog ein.
    Monkey Mind , tippte Poppy in den Computer, Affengeist.
    Das war sie. Das war ihr Kopf. Ein Affenhaus.
    Heute habe ich zum ersten Mal versucht, alleine bei mir zu Hause Yoga zu machen. Und hier ist das Ergebnis.
    Poppys persönliche Affengeist- Asana -Sequenz.
    Ein paar Atemzüge auf der Matte. Frage mich, was hier so riecht. Ist es die Matte? Bin ich es? Kann nicht still liegen. Stehe auf.
    Sonnengruß. Einmal, zweimal – Moment, welcher Fuß kommt jetzt? Was kommt nach zwei? Bin ich jetzt schon bei Runde vier oder erst bei drei?
    Ich unterbreche kurz. Schaue auf mein Handy. Ob eine Nachricht gekommen ist. Dann stell ich das Handy ab. Ganz bestimmt.
    Keine Nachricht. Hätt ich mir denken können. Er steht einfach nicht auf dich! Hole mir ein Glas Wasser in der Küche.
    Zurück auf die Matte. Soll ich noch ein paar Sonnengrüße machen? Ach, lass es! Es ist neun Uhr abends. Die Sonne hat nicht auf mich gewartet.
    Uttanasa . Ich beuge mich vor und lege die Hände neben meine Füße. Dabei frage ich mich, wann ich das letzte Mal bei der Pediküre war. Von Maniküre wollen wir gar nicht anfangen.
    Padangusthasana. Ich verstecke die Hände unter den Fußsohlen. Da sind sie gut aufbewahrt.
    Ich lege mich auf den Rücken. Ich frage mich, wie lange es her ist, dass ich den Fußboden geschrubbt habe. Ich meine, so richtig geschrubbt. Vielleicht jetzt eine Rückbeuge, um wieder richtig wach zu werden? Aus Gründen, die zu erklären hier zu weit führen würde, fällt mir ein, dass ich die Serie Das Vorstadtspital seit Wochen aufzeichne, aber noch keine Folge gesehen habe.
    Also gut, ich verrate es euch: Gion Camenisch war in meiner Yogastunde. Ich wusste doch, ich kenn den von irgendwoher. Jetzt fällt es mir wieder ein. Ich schalte den Fernseher ein und klicke mich durch meine aufgezeichneten Sendungen.
    Zwei Folgen später.

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