Montana 04 - Vipernbrut
gefunden hat.«
»Oh. Ja. Die Stimmung ist natürlich alles andere als gut. Ich musste gestern jede Menge Fragen über mich ergehen lassen, vor allem von Prediger Mullins. Er will natürlich, dass wir den Mörder so schnell wie möglich fassen, weshalb er die Gemeindemitglieder aufgefordert hat, dafür zu beten, dass er seiner gerechten Strafe zugeführt wird. Das ist genau das, was ich möchte, aber Mullins hat auch dafür gebetet, dass Gott dem Mörder verzeihen möge.« Brewster schnaubte in seine Tasse. »Und damit habe ich so meine Probleme.«
»Da stimme ich Ihnen zu.« Widerwillig löffelte sie Kaffeepulver in einen frischen Filter, dann füllte sie Wasser in den dafür vorgesehenen Behälter und drückte den Startknopf.
Gurgelnd erwachte die Maschine zum Leben, und in weniger als einer Minute plätscherte ein Strahl heißer Java-Kaffee in die Glaskanne. Brewster verließ mit seiner Tasse den Aufenthaltsraum. Pescoli mochte den Mann nicht, und sie hatten in der Vergangenheit ziemliche Schwierigkeiten miteinander gehabt, hauptsächlich weil ihre Kinder nicht die Finger voneinander lassen konnten, aber zumindest redeten sie miteinander, trennten Privates von Beruflichem, was in Pescolis Augen bereits ein großer Fortschritt war.
Klackerklackerklacker.
Wie Schnellfeuerschüsse hallten Joelles Schritte durch den Gang, und schon kam sie durch die Tür des Aufenthaltsraumes geschossen. Passend zur Jahreszeit trug sie eine rote, auf ihre mörderischen High Heels abgestimmte Handtasche bei sich, außerdem zwei umweltverträgliche, wiederverwertbare Einkaufstaschen. In einer Hand balancierte sie eine weiße Schachtel. Bevor diese ins Wanken geriet, stellte sie sie auf der Anrichte ab und öffnete den Deckel.
» Voilà!«, verkündete sie stolz und enthüllte den Inhalt: sorgfältig aufeinandergestapelte Törtchen, manche davon mit Weihnachtsmanngesichtern, andere mit Weihnachtssternen oder Tannenbäumchen verziert.
»Noch mehr?«, fragte Pescoli ungläubig. Dann: »Hast du die gemacht?«
»Oh, nein, nein, nein!« Joelle kicherte, offenbar erfreut, dass Pescoli sie für eine solche Backkünstlerin hielt. Scheinbar hatte sie ihr die Tirade gegen die festliche Dekoration im Gang verziehen. »Eine meiner Freundinnen ist Bäckerin im Cedar’s Market. Wir spielen einmal im Monat zusammen Kniffel, ein richtiger Mädelsabend sozusagen. Sie hat sie für mich gebacken.« Sie warf Pescoli einen verschmitzten Blick zu und fügte hinzu: »Zum Sonderpreis, versteht sich. Ich konnte einfach nicht widerstehen!«
»Wer hätte das schon gekonnt?«
»Oje.« Joelles perfekt geschminktes Gesicht verzog sich leicht, als sie feststellte, dass die Zuckerglasur an einem der Törtchen beschädigt war.
»Das nehme ich«, bot Pescoli an und griff danach. Dann schenkte sie sich eine Tasse frisch gebrühten Kaffee ein und machte sich auf den Weg zu ihrem Schreibtisch. Sobald sie sich hingesetzt hatte, rief sie bei der First Union Bank an. Es war noch früh; bis sich die Türen der Bank für die Kunden öffneten, würde es noch einige Zeit dauern, doch die Angestellten sollten bereits eingetroffen sein.
Sie erwischte eine der Rezeptionistinnen, die ihr mitteilte, Johnna Phillips sei »noch nicht im Haus«, und sie fragte, ob Ms. Phillips sie zurückrufen solle. Pescoli lehnte ab, bedankte sich und legte auf, dann wählte sie die Nummer der Vermisstenabteilung.
Ja, teilte ihr Tawilda Conrad mit, die mit Taj Nayak zusammenarbeitete, es sei eine Vermisstenmeldung zu Johnna Phillips eingegangen, zwei Deputys würden bei ihr zu Hause nachsehen und sich mit dem Arbeitgeber in Verbindung setzen.
»Ruf mich an, wenn ihr etwas herausfindet«, bat sie Tawilda.
»Klar, mache ich«, versprach diese und legte auf.
Pescoli aß ihr Törtchen und trank ihren Kaffee, dann machte sie sich auf den Weg zu Alvarez’ Schreibtisch.
Ihre Partnerin saß bereits vor ihrem Computer und überprüfte ihre E-Mail-Eingänge, wobei sie gleichzeitig telefonierte. Als sie Pescoli sah, blickte sie auf und hob grüßend einen Finger. »Okay, dann kann ich den Wagen also zwischen vier und fünf in der Werkstatt abholen?«, fragte sie in ihr Handy und wartete. »Ja, das müsste gehen. Danke, Andy.« Sie drückte die Aus-Taste. »Gute Nachricht, ich bekomme mein Auto zurück.«
»Du solltest Junior Green verklagen, damit er für den Schaden aufkommt.«
»Ich werde es meiner Versicherung ausrichten.« Sie blickte auf ihren Schreibtisch, wo ein kleiner Poststapel lag.
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