Montana 04 - Vipernbrut
Eis.
Sie verspürte ein nervöses Kribbeln. Ihre Nackenhärchen sträubten sich. Heilige Mutter Gottes! Steckte der Ring etwa … o mein Gott … tatsächlich … Der Ring steckte in einer Brustwarze! In einer richtigen Brust?
Sie fuhr erschrocken zusammen, als sie hörte, wie die Zeitung in den Kasten gesteckt wurde, fegte weiteren Schnee beiseite und legte die obere »Kugel«, den Kopf der Schneefrau frei.
Ihr Herz raste, Panik stieg in ihr auf, und sie fragte sich, warum sie nicht Ollies Schrotflinte, die neben der Hintertür lehnte, mit nach draußen genommen hatte. Hoffentlich war das nicht auch so eine eingefrorene Frau wie die bei den Krippenfiguren an der Kirche, die sie in den Nachrichten gesehen hatte!
Aber das war doch mit Sicherheit ein Einzelfall gewesen.
Das konnte doch gar nicht sein …
Sie hörte, wie Arvin North den Motor des Zeitungswagens anließ und wendete, um in die Stadt zurückzufahren. Mit hämmerndem Herzen schob Mabel den frischen Puderschnee zur Seite. Plötzlich fiel ihr Blick auf etwas Blaues und … »Herr im Himmel! … Ach, du liebe Güte!«, schrie sie, sprang entsetzt zurück und ließ die Taschenlampe in den Schnee fallen. Durch die dicke Eisschicht starrte blicklos das weit aufgerissene Auge einer toten Frau.
Kapitel siebzehn
Das ist Lissa Parsons«, flüsterte Alvarez, der ganz elend wurde, wenn sie sich die einst so lebhafte Frau vorstellte, mit der sie im Fitnessstudio trainiert hatte. Sie ließ den Strahl ihrer Taschenlampe über den Eisblock gleiten und betrachtete durch die dicke Eisschicht deren nackten Leichnam. Zorn kochte in ihr hoch. Wie krank musste man sein, um auf einen solchen Gedanken zu kommen?
»Verdammt noch mal, ich wusste es!« Fassungslos starrte Pescoli das Opfer an. Auf ihrer Mütze und den Schultern ihres Mantels sammelte sich Schnee, der Wind frischte auf. »Dieser verfluchte Scheißkerl ist ein Serientäter! Verflucht, verflucht, verflucht! Ich hatte so sehr gehofft … «
»… dass Lara Sue Gilfry ein Einzelfall wäre?«, beendete Alvarez den Satz für sie. »Ja, ich weiß. Auch ich hatte gehofft, dass die beiden anderen vermissten Frauen nicht in seine Fänge geraten wären.« Sie blickte in den noch dunklen Himmel und spürte die Schneeflocken auf ihren Wangen.
»Könnte auch ein Trittbrettfahrer sein.«
»Hm«, schnaubte Pescoli. »So oder so, es sieht ganz danach aus, als müssten wir das FBI informieren.«
Dieser Fundort, ein Stück Rasen zwischen zwei Häusern am Stadtrand von Grizzly Falls, war genauso abgelegen wie der erste, und es war genauso kalt. In diesem Fall haftete dem Verbrechen kein religiöser Beigeschmack an wie bei der Leiche an der Krippe, doch wieder hatte der Mörder einen makaberen Sinn für Humor bewiesen, indem er Lissa in ihrem eisigen Sarg in eine obszöne Pose mit dem Schneemann brachte, den Mabels Enkel vor zwei Tagen gebaut hatten.
Was zum Teufel hatte das zu bedeuten?
Wer war dieser Irre, der Frauen tötete und sie der Öffentlichkeit anschließend als makabre Eisskulpturen präsentierte? Sie hatten bereits kurz mit den Enstads und deren Nachbarn gesprochen.
Alvarez, die in dieser Nacht wieder kaum ein Auge zugetan hatte, war bereits wach gewesen, als der Anruf von der Leitstelle kam. Sie hatte ihre schlaftrunkene Partnerin per Handy informiert und sich hier mit ihr verabredet. Nur wenige Minuten nacheinander waren sie beide am Fundort der Leiche eingetroffen.
Es schneite und schneite, ein arktischer Wind wehte, der zitternde Strahl ihrer Taschenlampen warf unheimlich zuckende Schatten auf die gruselige Eisskulptur. Die Gegend war bereits mit Polizeiband abgesperrt worden, und die Besitzer des Hauses, das Ehepaar Enstad, standen, dick eingemummelt in Winterjacken, Wollmützen, Handschuhe und Schals auf der Veranda, die rund ums Haus führte. Ein Deputy nahm ihre Aussagen auf, und obwohl Alvarez nicht hören konnte, was gesagt wurde, stellte sie doch fest, dass die Frau - Mabel - den Großteil der Antworten bestritt. Sie gestikulierte wild, deutete nicht nur auf das Opfer, sondern auch auf das Nachbarhaus, auf dessen Betontreppe sich vier Gestalten versammelt hatten.
Ein zweiter Deputy befragte die Swansons, Mutter, Vater und zwei Söhne. Mandy, die Mutter, rauchte nervös eine Zigarette, der Vater hatte ihr einen Arm um die Schulter gelegt, als wolle er sie stützen.
Alvarez drehte sich fast der Magen um, als sie die tote Lissa Parsons betrachtete. Obwohl sie sie nicht sonderlich gut gekannt hatte,
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