Montana Creeds - Soweit die Sehnsucht trägt (German Edition)
neben sich steht.
“Ich dachte mir schon, dass es etwas in dieser Richtung sein musste”, sagte Floyd, nachdem er ihr aufmerksam zugehört hatte. Irgendwann während ihrer Schilderung musste er sie zu einem Stuhl geführt haben, denn überrascht stellte sie fest, dass sie saß, anstatt zu stehen, obwohl sie sich nicht daran erinnern konnte, wann sie Platz genommen hatte.
“Und jetzt?”, fragte sie, wobei sie ihre eigene Stimme kaum wiedererkannte. “Was geschieht jetzt?”
Seufzend zog Floyd den anderen Stuhl nach hinten und setzte sich ihr gegenüber an den Tisch. “Wir werden heute graben”, erklärte er ruhig. “Dann wird der Rechtsmediziner die sterblichen Überreste – sofern es die tatsächlich gibt – einsammeln und auf brauchbare Spuren untersuchen. Wahrscheinlich werden ein paar Reporter in die Stadt kommen, Fragen stellen und Fotos machen. Man wird das sicher eine Weile hochspielen, Kristy.” Er hielt kurz inne und sah ihr schließlich wieder in die Augen. “Mit der Zeit wird das Interesse an dem Fall nachlassen, und die Dinge werden sich danach normalisieren.”
“Und meinen Vater werden dann alle als Mörder in Erinnerung behalten”, sagte sie tonlos.
“Tim Madison”, widersprach der Sheriff mit Nachdruck, “wird man als einen Mann in Erinnerung behalten, der seine Tochter und seine Ehefrau beschützt hat. Er wäre niemals verurteilt worden, Kristy, selbst wenn er das Ganze gestanden hätte.”
“Das ist das, was den Krebs ausgelöst hat”, hörte sich Kristy sagen. Ihre Stimme trieb wie ein träger Fluss über Floyds Worte hinweg. “Bei Mom und Dad. Sie
wussten
, was in dieser Nacht wirklich passiert war. Sie behielten es für sich, und es muss sie innerlich aufgefressen haben. Diese ständige Angst …”
Sheriff Book beugte sich vor und drückte ihre Hand. “Das kann niemand mit Gewissheit sagen”, erwiderte er besänftigend. Nach einer kurzen Pause fragte er: “Hat dieser Mann dir wehgetan?”
Sie schüttelte den Kopf. Es gab so viele Dinge, die sie nicht genau wusste, doch das konnte sie mit Sicherheit verneinen. Sie musste in jener Nacht tatsächlich laut nach ihrem Dad geschrien haben. Darum war er noch rechtzeitig zu ihr gekommen.
“Nein”, bekräftigte sie, gleichzeitig ließ ein eisiger Schauer sie am ganzen Leib zittern. Erst jetzt begriff sie, in welcher Gefahr sie damals geschwebt hatte.
“Soll ich Dylan anrufen?”, fragte er.
Kristy erschrak leicht. Sie hatte Dylans Nummer von der Tafel gewischt. Warum aber kam Floyd dann ausgerechnet dieser Name in den Sinn?
Er lächelte sie an, da er offenbar ihre Gedanken erraten hatte. “Gestern Abend stand sein Truck vor deinem Haus, als ich meine Runde gefahren bin.”
“Nein, ruf Dylan nicht an”, bat sie ihn. “Mir geht es gut.”
“Ganz sicher? Du siehst nämlich nicht so, als würde es dir gut gehen, wenn ich das so sagen darf.”
“Ich muss um neun die Bibliothek öffnen.”
“Vergiss die Bibliothek”, gab Floyd zurück. “Die Welt wird nicht untergehen, wenn sie mal für ein oder zwei Tage geschlossen bleibt.”
Er verstand es nicht. Sie konnte nicht einfach die Vorhänge zuziehen und darauf warten, dass ihr der Himmel auf den Kopf fiel, dass Reporter bei ihr anklopften und sie anriefen, um sie um Interviews zu bitten. Sie musste ihr gewohntes Leben weiterleben, wenn sie nicht völlig verrückt werden wollte.
“Ich kriege das schon hin”, beteuerte sie, war aber offensichtlich für einen Mann wie Sheriff Floyd Book nicht überzeugend genug.
Mit besorgtem Blick musterte er sie eindringlich. “Das könnte wirklich eine schwierige Zeit für dich werden, Kristy. Warum verlässt du nicht für ein oder zwei Wochen die Stadt? Oder sogar für einen Monat? Warum wartest du nicht irgendwo ab, bis sich die größte Aufregung gelegt hat?”
Vor einem Problem wegzulaufen war nicht ihre Art. So war sie von ihren Eltern nicht erzogen worden. Und Stillwater Springs war ihr Zuhause, und sie musste genau hier sein, um diesen Sturm zu überstehen, der sich da zusammenbraute.
Und sie würde ihn auch überstehen – und wenn es sie ihr Leben kostete.
Bonnies Kinderbett und Wickelkommode wurden am nächsten Morgen geliefert. Dylan hatte eine schlaflose Nacht hinter sich, und er brummte fast unentwegt, während er alles so einrichtete, wie er es brauchte.
Bonnie hatte dagegen wie ein Engel geschlafen und war heute wieder ein pures Energiebündel. Als er gerade die letzte Schraube am Bettgestell festgezogen
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