Montana Creeds - Soweit die Sehnsucht trägt (German Edition)
hatte, schaffte sie es irgendwie, die gegen die Wand gelehnte neue Matratze umzuwerfen, um anschließend darauf herumzuhopsen.
“Bonnie”, rief er.
Sie ignorierte ihn. Offenbar war das kerngesunde Mädchen soeben taub geworden.
“Bonnie”
, wiederholte er etwas energischer.
Sie drehte sich zu ihm um und sah ihn mit großen Augen an, dann sagte sie: “Schichte.”
“Schichte?” Was hatte das zu bedeuten?
Ein wenig Grübeln brachte ihn aber schnell auf die Lösung. Bonnie hatte Kristy offenbar in ihr Herz geschlossen, und sie brachte sie mit dem Besuch in der Bibliothek in Verbindung, wo Kristy etwas vorgelesen hatte.
Eine Geschichte.
Oder in die verkürzende Sprache einer Zweijährigen übersetzt: Schichte.
“Wir haben kein Buch im Haus”, erwiderte er.
“Schichte!”
, beharrte Bonnie und hopste mit noch mehr Schwung auf der Matratze herum.
Eigentlich ging es ihr dabei aber um Kristy, nicht um ein weiteres Kapitel aus “Nancy Drew”.
“Wenn dir mit einem Artikel aus dem
Western Horseman
nicht gedient ist”, fuhr Dylan fort, “dann hast du leider Pech.” Er hatte einen angeschimmelten Stapel mit den Lieblingsmagazinen seines Onkels im Keller entdeckt, und das war der einzige Lesestoff, den er zur Hand hatte. “Und hör
sofort
auf, herzumzuhopsen.”
Bonnie erlaubte sich noch einen letzten Hüpfer und landete kichernd mitten auf der Matratze. Wenn sie mit zwei schon so war, wie sollte sie dann erst mit sechzehn sein?
Nein, darüber wollte er lieber gar nicht nachdenken.
Dylans Handy klingelte, und er nahm den Anruf an, ohne auf das Display zu schauen. “Hallo?”
“D-Dylan?”
Sharlene. Eine in Tränen aufgelöste Sharlene.
Er gab Bonnie das rosa Einhorn und hoffte, sie damit für eine Weile beschäftigen zu können, dann schlenderte er anscheinend gemächlich in die Küche. Sein Magen wollte jeden Moment rebellieren.
“Was willst du?”, brachte er heraus und stützte sich mit einer Hand auf den Küchentresen. Er konnte hören, dass Bonnie wieder auf der Matratze hopste.
“Ich habe einen Fehler gemacht”, platzte Sharlene heraus. “Ich will Aurora zurückhaben.”
Dylan kniff die Augen zu. Vor diesem Moment hatte er sich gefürchtet. Obwohl ihm klar gewesen war, dass sie sich früher oder später bei ihm melden würde, traf ihn der Anruf dennoch unvorbereitet. “Ich nenne sie Bonnie”, entgegnete er ruhig. “Und sie bleibt bei mir.”
“Clint fährt mich auch bis zu dir, um sie zu holen, die ganze Strecke von Texas nach Montana. Du musst sie mir zurückgeben, Dylan! Ich kann nicht ohne … Bonnie leben.”
Clint war natürlich ihr Freund, der offenbar länger durchgehalten hatte als die meisten seiner Vorgänger. Allerdings konnte es auch gut sein, dass es bereits wieder zu einem Wachwechsel gekommen war, seit Sharlene ihm in Vegas Bonnie aufs Auge gedrückt hatte.
“Das hättest du dir überlegen sollen, bevor du sie in meinem Truck ausgesetzt hast, Sharlene”, sagte Dylan. Bonnie hatte das Hopsen eingestellt; aus dem Augenwinkel sah er, dass sie in der Tür stand und ihn neugierig beobachtete. Die Unterlippe hatte sie schmollend vorgeschoben, und dann nahm sie wieder den Daumen in den Mund.
“Du weißt nicht, wie das war”, argumentierte Sharlene jämmerlich. “Ich hatte mein ganzes Geld an einem Einarmigen Banditen verloren, und Clint war sauer auf mich. Ich wusste, du würdest auf Aur… auf Bonnie aufpassen und …”
“Pass auf”, unterbrach er sie. “Ich werde jetzt nicht mit dir darüber diskutieren.”
“Sag mir wenigstens, ob es ihr gut geht.”
Dylan kochte vor Wut. Diese angebliche Sorge – und das von einer Frau, die mitten in der Nacht eine Zweijährige auf einem Parkplatz hinter einer zwielichtigen Bar im Stich gelassen hatte.
“Es geht ihr gut”, antwortete er schließlich.
Bonnie nahm den Daumen lange genug aus dem Mund, um ein “Schichte” herauszubringen.
Mit anderen Worten: Ich will Kristy.
“Wenn wir jetzt nicht reden können, dann eben in ein paar Tagen”, erklärte Sharlene überraschend entschieden für jemanden, der eigentlich Schwierigkeiten haben sollte, genug Geld für eine Fahrt von Texas nach Montana zusammenzukratzen. “Ich weiß, du bist in Stillwater Springs, Dylan. Clint und ich, wir sind auf dem Weg zu dir.”
Herauszubekommen, wo er sich aufhielt, war keine große geistige Leistung. Schließlich hatte er oft genug über seine Heimatstadt, seine Brüder und die Ranch geredet. Aber vielleicht war Sharlene
Weitere Kostenlose Bücher