Montgomery & Stapleton 05 - Das Labor des Teufels
etwas zu überprüfen oder mit jemandem zu reden. Die Zeiten hatten sich geändert. Jetzt musste man auch dafür die volle Montur anziehen. Calvin hatte die neuen Vorschriften eingeführt, und sie galten als in Stein gemeißelt.
»Ahhh!«, wimmerte Laurie, als sie den Arm ausstreckte, um die Bluse aufzuhängen. Sie hatte genau an derselben Stelle einen Stich gespürt, wo in den vergangenen Tagen dieses Ziehen aufgetreten war. Diesmal hatte es eindeutig wehgetan. Sie zuckte mit der Hand zurück und legte sie auf die schmerzende Stelle. Zum Glück ließ der Schmerz rasch nach, bis er ganz verschwunden war. Vorsichtig drückte sie gegen die Stelle, spürte aber nichts mehr, auch nicht, als sie wieder den Arm ausstreckte. Verwirrt schüttelte sie den Kopf. Ob es was mit der Schwangerschaft zu tun hatte? Vielleicht sollte sie Sue fragen, ob sie während ihrer zwei Schwangerschaften auch so etwas gespürt hatte.
Der Schmerz war bald vergessen, als sich Laurie den Overall angezogen hatte und ins Lager ging, um in den Mondanzug zu steigen. Ein paar Minuten später betrat sie den Obduktionssaal. Als die schwere Tür hinter ihr zurückschwang und gegen den Pfosten knallte, richteten sich die beiden Gestalten auf, die sich über eine geöffnete Leiche gebeugt hatten.
»Hey, welch ein Glück!«, witzelte Jack. »Ist das wirklich Dr. Montgomery in voller Aufmachung, obwohl es noch gar nicht acht Uhr ist? Wem oder was verdanken wir die Ehre?«
»Ich wollte nur schauen, ob dieser Fall wirklich in meine Serie passt«, erwiderte Laurie so locker, wie sie konnte. Innerlich bereitete sie sich auf weitere sarkastische Bemerkungen von Jack vor. »Bitte, arbeitet ruhig weiter!«, forderte sie die beiden auf, als sie ans Fußende des Tisches trat. »Ich wollte euch nicht aufhalten.«
»Ich will nicht, dass du glaubst, ich hätte dir den Fall weggenommen. Du weißt, warum ich das hier tue?«
»Ja, Chet hat es mir erzählt.«
»Hast du Calvin schon gesehen? Ich habe gar nicht kapiert, was mit ihm los ist. Er war so komisch. Ist zwischen euch beiden alles paletti?«
»Alles bestens. Ich habe selbst Schiss gekriegt, als Chet erzählt hat, dass ich heute einen offiziellen Schreibtischtag habe und Calvin mich sehen wollte. Aber Calvin will nur, dass ich die Fälle aus meiner Serie abschließe. Ich soll ›natürliche Todesursache‹ reinschreiben.«
»Und? Wirst du es tun? Ich glaube, es deutet alles darauf hin, dass keine natürliche Todesursache vorliegt.«
»Ich habe keine andere Wahl«, musste Laurie zugeben. »Das hat er in aller Deutlichkeit ausgedrückt. Ich hasse den politischen Druck bei unserer Arbeit, der sich bei dieser Serie wieder einmal in aller Deutlichkeit zeigt. Aber wie dem auch sei – wie ist deine Einschätzung zu Mulhausen? Gehört dieser Fall in meine Serie?«
Jack blickte in den geöffneten Brustkorb der Leiche vor ihm. Er hatte bereits die Lungen herausgenommen und war dabei, die großen Blutgefäße zu öffnen. Das Herz lag frei. »Bis jetzt ja. Die Umstände sind dieselben, und der pathologische Befund ergibt auch noch nichts. Aber sicher weiß ich das erst in einer halben Stunde, wenn wir mit dem Herzen fertig sind. Ich wäre allerdings sehr überrascht, wenn wir was finden würden.«
»Macht es dir was aus, wenn ich mir den Ermittlungsbericht anschaue?«
»Mir was ausmachen? Wieso sollte es? Aber ich kann dir die Mühe ersparen – ich weiß auswendig, was drinsteht. Der Patient war Börsenmakler, sechsunddreißig, gesund. Gestern Morgen ein unkomplizierter Eingriff wegen eines Leistenbruchs, danach ging’s ihm gut. Heute Morgen um halb fünf wurde er tot in seinem Bett gefunden. Im Bericht der Krankenschwester steht, dass er praktisch nur noch Raumtemperatur hatte, als er gefunden wurde, aber sie haben trotzdem versucht, ihn wiederzubeleben. Erfolglos, wie du siehst. Also, glaube ich, dass er in die Serie passt? Ja, tue ich. Außerdem glaube ich, dass du mit dieser Serienidee auf irgendwas gestoßen bist. So weit war ich am Anfang noch nicht, aber ich habe meine Meinung geändert, vor allem jetzt, nachdem du sieben Fälle hast.«
Laurie versuchte, etwas aus Jacks Gesichtsausdruck zu lesen, was aber durch die Kunststoffmaske nicht möglich war. Doch sie fühlte sich ermutigt. Irgendwie war er – wie Calvin vorhin – viel freundlicher als erwartet, was ihren Optimismus in vielerlei Hinsicht verstärkte.
»Was ist mit diesen Fällen, die Dick Katzenburg gestern erwähnt hat?«, fragte Jack. »Haben
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