Montgomery & Stapleton 05 - Das Labor des Teufels
das er auch seinem derzeitigen Arbeitgeber nicht verraten hatte, war seine frühere Drogenabhängigkeit. In Thailand nämlich war er in die Falle der Heroinsucht getappt. Es hatte alles ganz harmlos unter dem Deckmantel eines Experiments angefangen, weil er Patienten mit diesem Problem besser verstehen und behandeln wollte. Leider hatte er die Verführungskraft der Droge und seine eigene Schwäche unterschätzt, besonders weil Heroin dort so leicht zu bekommen war. Das Heroin war der Grund gewesen, dass seine Frau mit den Kindern in den Schutz ihrer mächtigen Familie geflohen und er selbst nach Afrika versetzt und schließlich aus der Organisation entlassen worden war. Auch wenn er eine Entziehungskur gemacht hatte und seit Jahren drogenfrei lebte, wurde er tagtäglich vom Schreckgespenst des Suchtproblems heimgesucht. Eine Folge war, dass er zu viel trank. Er liebte Wein und trank heimlich mindestens eine Flasche am Abend. Jetzt hatte er Angst, dass Alkohol zur Ersatzdroge für Heroin geworden war. Als Arzt, der schon eine Entziehungskur hinter sich hatte, kannte er die Risiken.
Roger hätte sich noch länger gequält, aber zum Glück konnte er seine Gedanken mit den verdächtigen Todesfällen ablenken. Obwohl er selbst schon neugierig geworden war, hatte Laurie mit ihrem Engagement sein Interesse erst richtig entfacht. Er hatte die Todesfälle benutzt, um die Beziehung zu Laurie aufrechtzuerhalten, was ja auch hervorragend funktioniert hatte. Doch dann hatte er sich mit seiner Ehe verraten – und das Chaos hatte eingesetzt. Jetzt brauchte er die Todesfallserie mehr als je zuvor als Bindemittel, um die Beziehung zusammenzuhalten. Je eher er die Mitarbeiterliste beschaffen konnte, desto besser. Vielleicht könnte er Laurie schon an diesem Abend anrufen und die Liste zu ihr nach Hause bringen.
Über die Sprechanlage bat er Caroline, die Effizienteste seiner Sekretärinnen, in sein Büro. Als Nächstes suchte er aus dem internen Telefonverzeichnis die Nummer des Personalchefs heraus. Er hieß Bruce Martin. Während sich Roger die Durchwahl notierte, erschien Caroline bereits in der Tür.
»Ich brauche ein paar Namen und Telefonnummern aus dem St. Francis Hospital.« Rogers Stimme war sein Eifer anzuhören. »Ich möchte so schnell wie möglich mit dem Leiter des medizinischen Personals und dem Personalchef sprechen.«
»Soll ich sie durchstellen oder möchten Sie selbst anrufen?«, fragte Caroline.
»Stellen Sie sie durch!«, wies Roger sie an. »In der Zwischenzeit werde ich mich mal kurz mit Bruce Martin unterhalten.«
Als Laurie durch die Tür des Gerichtsmedizinischen Instituts trat, blickte sie auf ihre Uhr. Sie war entsetzt. Es war fast Mittag. Die Taxifahrt vom Manhattan General zum Institut hatte sie unglaubliche eineinhalb Stunden gekostet. Sie schüttelte den Kopf. Manchmal staute sich der Straßenverkehr in der Innenstadt von New York wie ein riesiges Blutgerinnsel. Der Fahrer hatte erklärt, dass irgendein wichtiger Amtsträger in der Stadt sei. Für dessen Wagenkorso mussten einige Straßen abgesperrt werden, sodass der Verkehr im gesamten Zentrum schlagartig zum Erliegen kam.
Marlene drückte den Türöffner, und Laurie ging am Verwaltungstrakt vorbei. Sie hatte Angst, durch die offene Tür hindurch von Calvin bemerkt zu werden. Wenn sie gewusst hätte, dass sie so lange fortbleiben würde, hätte sie die beiden verdammten Todesbescheinigungen schon vorher ausgefüllt.
Zum Glück war der Fahrstuhl schon da, sodass sie in der Eingangshalle nicht warten musste. Während sie hinauffuhr, fragte sie sich, ob Roger die Detektivarbeit auch wirklich erledigen würde. Je mehr sie über ihre Idee nachdachte, desto zuversichtlicher wurde sie über die Erfolgsaussichten. Aber selbst wenn nichts dabei herauskommen sollte, hätte sie zumindest das Gefühl, etwas getan zu haben. Sie mochte überhaupt nicht darüber nachdenken, was der Tod dieser jungen, gesunden Menschen in der Blütezeit ihres Lebens für deren Angehörige und Freunde bedeutete.
Laurie marschierte sofort in ihr Büro. Die Tür war angelehnt, Riva telefonierte. Sie hängte ihren Mantel auf und setzte sich an den Schreibtisch, auf dem mehrere Haftzettel mit Rivas krakeliger Handschrift klebten. Auf dreien stand nur »Jack war da«, auf zweien »Calvin war da«, gefolgt von mehreren Ausrufezeichen, und auf dem letzten wurde sie aufgefordert, Cheryl Meyers anzurufen.
Hastig öffnete sie die Schreibtischschublade, in der sie die Unterlagen
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