Montgomery & Stapleton 05 - Das Labor des Teufels
zufällig mit ihrem zusammenfiel. Er hatte bereits Kaffee gekocht und las in einer der Akten, die er schon bereitgelegt hatte.
»Sieht aus, als hätten wir viel zu tun«, bemerkte Laurie, als sie sich einen Becher Kaffee einschenkte.
»Ja, das fürchte ich auch.« Marvin klopfte auf den Ordner vor sich. »Wir haben wieder einen von diesen komischen postoperativen Fällen aus dem Manhattan General.«
»Ehrlich?«
»Vorne ist eine Notiz von Janice dabei.«
Laurie las rasch das Blatt durch, auf dem die Einzelheiten zum Fall von Patricia Pruit zusammengefasst und alle relevanten Fragen beantwortet waren. Laurie sog hörbar die Luft ein. Sofern sich kein bedeutender pathologischer Befund am Herzen ergab, war ihre Serie auf vierzehn Fälle angestiegen, davon allein acht im Manhattan General. So konnte es nicht weitergehen.
»Wir nehmen die Pruit als Erste«, sagte Laurie.
»Vor den beiden Jungs?«, vergewisserte sich Marvin. »Haben Sie draußen in der Eingangshalle die Journalisten gesehen?«
»Ja, habe ich. Die können noch eine Weile warten.« Laurie wollte sich so schnell wie möglich vergewissern, dass Pruit zur Serie gehörte, und Roger Bescheid geben. Es musste etwas unternommen werden. Sie konnten doch nicht ewig nur zuschauen.
»Okay, ich gehe runter und bereite alles vor.«
»Noch was anderes Wichtiges?«
»Fast alles reine Routine. Ich denke, dass Sie die meisten Fälle verschieben können. Ich tippe auf vier Fälle, die wir uns vornehmen, aber vielleicht entscheiden Sie ja auch anders.«
Als Marvin gegangen war, sah sich Laurie alle Ordner an. Marvin hatte Recht – sie würde die vier Fälle übernehmen und dann Schluss machen, sofern sich nicht noch etwas Wichtiges ergab, während sie bei der Arbeit waren. Dann ging sie in ihr Büro, um den Mantel aufzuhängen. Zufrieden stellte sie fest, dass auf ihrem Schreibtisch ein Stapel Krankenakten lag. Irgendwie hatte es Janice geschafft, diejenigen zu Lewis und Sobczyk aus dem Manhattan General und die sechs aus dem St. Francis zu besorgen.
Die oberste Akte gehörte zu Rowena Sobczyk. Laurie schlug die Mappe auf und blätterte durch die Seiten. Besonderes Augenmerk richtete sie auf die Anmerkungen zur OP und den Anästhesiebericht. Wie bei McGillan und Morgan gab es nichts Ungewöhnliches. Sie wollte gerade den Ordner wieder zur Seite legen, als ein Stück eines EKGs herausrutschte, das sehr ungewöhnlich aussah. Es war etwa einen halben Meter lang und wie eine Ziehharmonika gefaltet, der Anfang war an eine Seite geklebt worden.
Laurie schlug die Akte auf der entsprechenden Seite auf. Es war eine Notiz des für den Wiederbelebungsversuch zuständigen Arztes. Laurie las sie rasch durch und fand sie wenig aufschlussreich. Dann faltete sie das EKG auf. Die Komplexe waren sehr gedehnt und zeigten vermutlich ineffektive Herzschläge an, wenn es überhaupt Herzschläge waren. Sie könnten auch bloß auf schlecht koordinierte elektrische Herzaktivität hinweisen, die zu keiner Muskelkontraktion geführt hatten. Im weiteren Verlauf wurden die Komplexe immer verzerrter und liefen plötzlich zu einer flachen Linie aus. Am Blattrand hatte jemand mit Kugelschreiber geschrieben: »Kurzer EKG-Ausschnitt vom Beginn des Wiederbelebungsversuchs, nach dem keine weitere elektrische Aktivität festgestellt wurde.«
Sie war noch nie gut im Lesen von EKGs gewesen, und dieses kurze Segment sagte ihr gar nichts. Dennoch ging sie davon aus, dass es wichtig sein könnte, da es weder bei McGillan noch bei Morgan ähnliche Aufzeichnungen gab. Bei ihnen war nämlich keinerlei elektrische Aktivität mehr festgestellt worden. Laurie dachte, sie müsste das EKG jemandem zeigen, der sich besser auskannte als sie. Sie legte ihr Lineal an die Stelle des EKGs und hängte sogar noch einen Haftzettel dazu, um nicht zu vergessen, mit dem EKG zu einem Kardiologen zu gehen.
Als das Telefon klingelte, zuckte sie zusammen. Ob das Jack war? Mit der Hand auf dem Hörer wartete sie das nächste Klingelzeichen ab und versuchte, über das Kribbeln die Identität des Anrufers zu beeinflussen. Vergeblich – es war Marvin, und die Nachricht war einfach: Unten im Obduktionssaal stand alles bereit.
Laurie legte Sobczyks Akte, aus der seitlich das Lineal herausstand, auf den Stapel zurück. Sie freute sich schon, die Unterlagen später durchzugehen, besonders diejenigen aus Queens, um zu prüfen, ob die dortigen Fälle tatsächlich Parallelen zu denen aus dem Manhattan General aufwiesen. Während sie
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