Montgomery & Stapleton 05 - Das Labor des Teufels
von Sean McGillan senior. Sie dachte über das nach, was Jack über forensische Überraschungen gesagt hatte, und überlegte, was das für Sean McGillan junior bedeuten könnte. Sie hatte erwartet, dass er eines natürlichen Todes gestorben war, etwa an einer Embolie oder gar an einem Geburtsfehler. Da sie, zumindest bisher, nichts Derartiges gefunden hatte, spielte sie mit der Idee, dass die Todesursache ein Unfall gewesen sein könnte, zum Beispiel eine unerwartete verspätete Komplikation in Zusammenhang mit der Narkose. Aber wenn die Todesursache wirklich das Gegenteil war – wie in den Fällen, die Jack gerade beschrieben hatte –, wäre es Mord gewesen.
Laurie dachte über die Idee nach. Sie schien weit hergeholt, aber dann fiel ihr wieder ein, wie Sara Cromwell gestorben war, und dass sie selbst nur ein paar Minuten vorher gedacht hatte, dass ein Unfall als Todesursache weit hergeholt schien. Bei der Obduktion des jungen Sean McGillan war schon überraschend, dass sich nichts finden ließ. Könnte sie der Fall ein weiteres Mal überraschen? Sie bezweifelte es, aber ganz ausschließen konnte sie es auch nicht.
Kapitel 4
O bwohl Laurie das Gegenteil befürchtet hatte, verlief das Telefonat mit Dr. McGillan überraschend zivilisiert. Mit unerwartetem Gleichmut hatte er akzeptiert, dass die Obduktion keinen pathologischen Befund geliefert hatte. Laurie kam es vor, als hätte McGillan die Informationen wie ein Kompliment für seinen geliebten Sohn aufgefasst und sich in der Meinung bestärkt gefühlt, dass der Junge tatsächlich, innerlich wie äußerlich, ein perfekter Mensch gewesen war.
Da Laurie damit gerechnet hatte, wütende Vorwürfe zu ernten oder mit einer passiv-aggressiven Enttäuschungshaltung konfrontiert zu werden, weil sie ihr Versprechen nicht gehalten hatte, fühlte sie sich diesem Menschen gegenüber sogar noch mehr verpflichtet, weil er Haltung bewahrt hatte. Er war sogar so weit gegangen, ihr für ihre Mühe und ihre Hilfe in dieser Zeit der Not zu danken. Wenn sie vorher nur bereit gewesen war, Vorschriften zu brechen und ihm persönlich die Ursache für den Tod seines Sohnes zu verraten, war sie jetzt fest entschlossen, ihm diese Information unbedingt zu besorgen.
Nachdem sie aufgelegt hatte, grübelte sie einige Zeit über den Fall nach, indem sie einfach vor sich auf die Pinnwand aus Kork mit den vielen Notizen, Erinnerungshilfen und Visitenkarten starrte. Sie überlegte, wie sie den Prozess beschleunigen konnte, doch waren ihr die Hände gebunden. Sie musste auf die Ergebnisse von Maureen und Peter warten und hoffen, dass sie ihren Erwartungen entsprachen.
Die Zeit verging wie im Flug. Riva kam mit einem Hallo herein, legte ihre Ordner auf ihrem Schreibtisch ab und setzte sich. Laurie erwiderte den Gruß reflexartig, ohne sich umzudrehen. Ihre Gedanken beschäftigten sich mittlerweile mit Jack und seiner unbekümmerten Fröhlichkeit und damit, was dies für ihre Beziehung bedeutete. Sie mochte es zwar nicht zugeben, aber es wurde immer deutlicher, dass er über ihre Entscheidung zu gehen ganz froh war.
Ihre Gedanken drehten sich im Kreis, und die Erinnerung an Jacks Bemerkung, dass die Gerichtsmedizin gelegentlich zeigte, dass Todesart und Todesursache in Wirklichkeit oft ganz andere waren als vermutet, brachte sie wieder auf den Fall von Sean junior zurück. Und wieder wägte Laurie die Möglichkeit ab, dass Seans Tod ein Mord gewesen sein könnte. Die Erinnerung an einige schreckliche Mordserien, die sich in Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge ereignet hatten, ließ sich nicht verdrängen. Besonders nicht die von neulich, die äußerst lange unentdeckt geblieben war. Selbst ein solches Szenario musste in Erwägung gezogen werden, auch wenn Laurie einräumen musste, dass alle beteiligten Patienten schon alt und chronisch krank gewesen waren und dass es ein vorstellbares, wenn auch krankes Motiv gab. Keines dieser Opfer war ein lebhafter, gesunder, achtundzwanzigjähriger Mensch gewesen, der noch sein ganzes Leben vor sich gehabt hatte.
Laurie hielt einen Mord für ziemlich unwahrscheinlich, und sie hatte nicht die Absicht, sich deswegen Sorgen zu machen, zumal Peters toxikologische Untersuchung zeigen würde, ob Sean eine Überdosis Insulin, Digoxin oder eines anderen möglicherweise tödlichen Medikaments erhalten hatte, das denjenigen ähnlich war, die bei den von Alten- und Pflegeheimmitarbeitern verübten Morden verwendet worden waren. Schließlich war dies genau
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