Montgomery & Stapleton 05 - Das Labor des Teufels
hinauf in den Bauchraum nachverfolgt hatte, ohne eine verstopfte Stelle zu entdecken. Außer einigen unbedeutenden Fasern in der Gebärmutter und einem Polyp im Dickdarm gab es keine Auffälligkeiten und mit Sicherheit nichts, womit sich der Tod der Frau erklären ließe. Genau wie bei McGillan würde Laurie auf den mikroskopischen und toxikologischen Befund warten müssen, wenn sie eine Todesursache herausfinden wollte.
»Ein klarer Fall«, meinte Marvin. »Genau wie Sie es wollten.«
»Sehr seltsam«, erwiderte Laurie, fühlte sich aber bestätigt. Sie blickte sich im Seziersaal um, in dem mittlerweile fast alle Tische besetzt waren, ohne dass sie es bemerkt hatte. Der einzige freie Tisch war der, an dem Jack gearbeitet hatte. Scheinbar war er fertig und ohne ein Wort gegangen. Laurie war nicht überrascht. Das passte zu seinem derzeitigen Verhalten.
Am Tisch ihr gegenüber glaubte Laurie, Riva zu erkennen. Als Marvin hinaus auf den Flur ging, um eine Rolltrage zu holen, ging sie hinüber und vergewisserte sich.
»Interessanter Fall?«, fragte Laurie.
Riva hob den Kopf. »Vom fachlichen Standpunkt aus betrachtet nicht besonders. Fahrerflucht auf der Park Avenue. Sie war Touristin aus dem Mittleren Westen und sie hielt die Hand ihres Mannes, als sie überfahren wurde. Er war nur einen Schritt vor ihr. Mich wundert es immer wieder, dass die Fußgänger in dieser Stadt nicht vorsichtiger sind, wenn man bedenkt, wie schnell der Verkehr hier fließt. Wie lief’s mit deinem Fall?«
»Äußerst interessant«, antwortete Laurie. »Pathologischer Befund fast null.«
Riva schielte ihre Kollegin von der Seite her an. »Interessant und kein pathologischer Befund? Das hört sich gar nicht nach dir an.«
»Das erkläre ich dir später. Habe ich eigentlich noch einen anderen Fall?«
»Heute nicht«, sagte Riva. »Ich dachte, du könntest etwas Auszeit gebrauchen.«
»Hey, mir geht’s doch gut. Echt! Ich will keine Extrawurst.«
»Keine Sorge. Es ist relativ ruhig heute. Du hast doch schon genug um die Ohren.«
Laurie nickte und bedankte sich, obwohl es ihr lieber gewesen wäre, was zu tun zu haben.
»Wir sehen uns oben.« Als sich Laurie wieder zu ihrem Tisch drehte, kam Marvin mit der Rolltrage zurück. Laurie dankte ihm für seine Hilfe und meinte, sie seien fertig für heute. Nachdem sie alles aufgeräumt und geputzt hatten, hängte Laurie zehn Minuten später ihren Mondanzug auf und steckte den Akku ins Ladegerät. Sie hatte vorgehabt, in die Histologie und Toxikologie zu gehen, und war überrascht, als Jack in der Tür vom Lagerraum stand.
»Darf ich dich zu einem Kaffee einladen?«, fragte er.
Laurie blickte in seine ahornsirupfarbenen Augen und versuchte, seine Stimmung einzuschätzen. Sie hatte wirklich genug von seiner Fröhlichkeit und empfand sie angesichts der Umstände geradezu als Demütigung. Doch er grinste nicht so spitzbübisch wie am Nachmittag zuvor, als er in ihrem Büro aufgetaucht war. Heute wirkte er ernster, fast förmlich, was sie zu schätzen wusste, weil es eher zu dem passte, was gerade zwischen ihnen ablief.
»Ich würde gern mit dir reden«, fügte er hinzu.
»Eine Tasse Kaffee wäre toll.« Sie versuchte, ihre Erwartungen im Hinblick auf das, was Jack vorhatte, zurückzuschrauben. Schon sein zuvorkommendes Verhalten kam ihr verdächtig vor.
»Wir könnten rauf in den ID-Raum oder in die Kantine gehen«, schlug Jack vor. »Du entscheidest.«
Die Kantine lag im ersten Stock. Zwischen den nackten Betonwänden, dem alten Linoleumboden und den Verkaufstheken ging es ziemlich laut zu. Und zu dieser Uhrzeit herrschte dort reger Betrieb, weil die Verwaltungskräfte und die Wachmannschaft Pause hatten.
»Versuchen wir es im ID-Raum«, schlug Laurie vor. »Wäre gut, wenn wir ein Plätzchen für uns alleine hätten.«
»Ich habe dich heute Nacht vermisst«, sagte Jack, während sie auf den hinteren Fahrstuhl warteten.
Na, so was, dachte Laurie. Trotz ihrer Bedenken wuchs ihre Hoffnung auf ein ernsthaftes Gespräch. Es war nicht üblich, dass Jack seine Gefühle so direkt äußerte. Sie blickte ihn an, um zu sehen, ob er sarkastisch war. Doch er hatte sein Gesicht abgewandt und war damit beschäftigt, die Stockwerksanzeige oberhalb des Fahrstuhls zu beobachten. Die Zahlen wechselten wie immer nur sehr langsam, weil der hintere Fahrstuhl auch für Lasten verwendet wurde und sich nur im Schneckentempo bewegte.
Als sich die Tür öffnete, traten sie ein.
»Ich habe dich auch vermisst«,
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