Montgomery & Stapleton 05 - Das Labor des Teufels
Krankenhausdirektor zusammen. Schließlich machte sich Laurie auf die Suche nach Sue, die zum Glück so kurzfristig Zeit zum Mittagessen hatte.
»Dass dich jemand vom psychologischen Dienst angerufen hat, heißt nicht unbedingt, dass dein Test positiv war«, beruhigte sie Sue.
»Ach, hör doch auf«, wehrte sich Laurie. »Dann hätte es mir die Frau doch gleich am Telefon sagen können.«
»Das darf sie aber laut Gesetz nicht«, erklärte Sue. »Mit dem neuen Gesetz über die ärztliche Schweigepflicht ist die Weitergabe von Ergebnissen am Telefon verboten. Labormitarbeiter können doch nie sicher sein, mit wem sie gerade sprechen. Sie könnten unabsichtlich die Info an die falsche Person weitergeben.«
»Warum haben sie nicht dir das Ergebnis geschickt?«, fragte Laurie. »Du bist doch meine offizielle Hausärztin.«
»Als dir das Blut abgenommen wurde, war ich es noch nicht. Aber du hast Recht, ich hätte davon erfahren müssen. Andererseits bin ich nicht überrascht. Das ambulante Genetiklabor ist erst dabei, sich zu organisieren. Ehrlich gesagt, bin ich überrascht, dass sie nicht von dir verlangt haben, dich schon vor der Blutabnahme mit einem ihrer Sozialarbeiter zusammenzusetzen. Das hatte ich eigentlich gedacht, weil sie vorhatten, das Verfahren proaktiv zu gestalten. Man muss schließlich kein Prophet der Wissenschaften sein, um vorherzusehen, dass Gentests einen Menschen ganz schön durcheinander bringen können, egal, welches Ergebnis dabei rauskommt.«
Wem sagst du das?, dachte Laurie für sich.
»Stimmt was nicht mit deinem Essen?«, fragte Sue und beugte sich vor, um es sich genauer anzuschauen. »Du hast es nicht mal angerührt. Muss ich das persönlich nehmen?«
Laurie lachte und winkte ab. Sie gestand, dass sie bei dem, was gerade alles um sie herum passierte, keinen Hunger habe.
»Hör mal«, begann Sue in ernsterem Ton. »Wenn der BRCA1-Test positiv ist, wovon du offensichtlich ausgehst, will ich, dass du gleich zu mir rüber kommst, damit ich für dich einen Termin mit einem unserer besten Onkologen ausmachen kann. Abgemacht?«
»Abgemacht.«
»Gut! Und was ist bei der Frauenärztin rausgekommen? Hast du mit Laura Riley einen Termin vereinbart?«
»Ja, habe ich.«
Laurie blickte auf ihre Uhr. »Huch! Ich muss mich auf die Socken machen. Ich will nicht zu spät kommen. Nicht dass mich die Sozialarbeiterin für passiv-aggressiv hält.«
Auf dem Flur trennten sie sich. Als Laurie die Treppe hinaufging, meldete sich das leichte Ziehen im Bauch rechts unten wieder. Ob es das Treppensteigen war, das bei ihr dieses unangenehme Gefühl auslöste? Es fühlte sich an wie Seitenstechen, das sie als Kind immer gehabt hatte, wenn sie zu viel gerannt war. Echt typisch, dass es nach einer Minute schon wieder vorbei war. Mit der Faust der rechten Hand klopfte sie die Stellen ihres Rückens ab, die sie erreichen konnte. Ihr war eingefallen, dass es die Nieren oder die Gebärmutter sein könnten, aber das Klopfen führte nicht dazu, dass es wieder wehtat. Sie zog den Bauch ein, spürte aber auch nichts Ungewöhnliches. Achselzuckend ging sie weiter.
Am Empfang im Genlabor herrschte die gleiche getragene Stimmung wie bei ihrem ersten Besuch. Die gleiche klassische Musik tönte aus den Wandlautsprechern, und natürlich hingen immer noch dieselben impressionistischen Drucke an den Wänden. Beim ersten Mal war Laurie eher neugierig als ängstlich gewesen, jetzt war es umgekehrt.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte die Dame im rosa Kittel am Empfang.
»Mein Name ist Laurie Montgomery. Ich habe um eins einen Termin bei Anne Dickson.«
»Ich sage ihr Bescheid, dass Sie da sind.«
Laurie setzte sich und blätterte aggressiv durch eine Zeitschrift. Sie blickte auf die Uhr. Genau eins. Ob Ms Dickson sie noch weiter erniedrigen und sie einfach warten lassen wollte?
Die Zeit verging. Je länger Laurie in der Zeitschrift blätterte, desto ängstlicher und wütender wurde sie. Sie legte die Zeitschrift wieder zurück, lehnte sich nach hinten und schloss die Augen. Mit viel Willenskraft schaffte sie es, sich zu beruhigen. Sie stellte sich vor, dass sie in der heißen Sonne am Strand lag. Wenn sie sich richtig anstrengte, konnte sie sogar fast hören, wie die Wellen gegen das Ufer schlugen.
»Ms Montgomery?«, fragte jemand.
Laurie öffnete die Augen und blickte in das lächelnde Gesicht einer Frau, die nur halb so alt war wie sie selbst. Sie trug einen schlichten weißen Pullover und eine einreihige
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