Montgomery & Stapleton 07 - Die Seuche Gottes
aus der Verwaltungszentrale, die regelmäßig in die Kliniken gehen, getestet werden und gegebenenfalls Medikamente bekommen, egal, ob sie mit Patienten in Kontakt kommen oder nicht.«
»Noch etwas?«, erkundigte sich Angela.
»Wir haben außerdem angeordnet, dass nach jedem Patientenkontakt die Hände desinfiziert werden müssen«, fuhr Cynthia fort. »Das gilt insbesondere für das medizinische und das Pflegepersonal. Und wir haben alle MRSA-Patienten unter strikte Quarantäne gestellt und das medizinische Personal angewiesen, noch häufiger die Labormäntel und Arztkittel zu wechseln. Darüber hinaus sollen oft benutzte Geräte wie zum Beispiel Blutdruckmessgeräte öfter als bisher mit Alkohol gereinigt werden. Wir haben sogar die Kondensationspfannen der Klimaanlagen in allen drei Kliniken getestet. Nirgendwo konnten wir irgendwelche Pathogene feststellen, und schon gar nicht diesen einen Staphylokokken-Stamm, der uns so zusetzt. Langer Rede kurzer Sinn: Wir unternehmen alles, was menschenmöglich ist.«
»Aber warum operieren unsere Ärzte dann nicht?«, wollte Bob wissen. »Als Miteigentümer müssten sie sich doch darüber im Klaren sein, dass sie sich dadurch auch selbst schaden, vor allem, falls wir pleitegehen sollten.«
»Ich will dieses Wort nicht hören«, sagte Angela, die diese erniedrigende Erfahrung schon einmal machen musste.
»Das liegt doch auf der Hand«, meinte Stewart. »Sie haben Angst, dass ihre Patienten sich trotz all unserer Hygienemaßnahmen eine postoperative Infektion einfangen. Da ihr Honorar sich aber ausschließlich nach diagnosebezogenen Fallpauschalen bemisst, bedeutet jede postoperative Infektion einen unmittelbaren Produktivitätsrückgang und, da das ärztliche Einkommen an die Produktivität geknüpft ist, auch unmittelbare finanzielle Einbußen. Dazu kommt noch die Angst vor einem Kunstfehlerprozess. Etliche unserer Schönheitschirurgen und sogar zwei Augenärzte haben wegen dieser Staphylokokkeninfektionen bereits einen Prozess am Hals. Somit ist der Fall ziemlich klar: Für die Operateure ist es wirtschaftlich sinnvoller, wenn sie – zumindest kurzfristig – ans University Hospital oder ans Manhattan General zurückgehen.«
»Aber Probleme mit Staphylokokken gibt es in jedem Krankenhaus«, sagte Carl, »besonders mit den methicillinresistenten Stämmen. Das gilt auch für die Uni-Klinik und das Manhattan General.«
»Ja, schon, aber nicht während der letzten drei Monate und auch nicht im selben Umfang wie bei uns«, sagte Hermann. »Trotz all der Maßnahmen, die Frau Dr. Sarpoulus eingeleitet hat, sind wir das Problem immer noch nicht losgeworden. In der Orthopädie hatten wir heute Nachmittag schon wieder einen Fall. Der Patient heißt David Jeffries.«
»Oh, nein!« Angela stieß einen Klagelaut aus. »Das wusste ich noch gar nicht. Ich bin erschüttert. Jetzt sind wir doch über eine Woche verschont geblieben.«
»Wir versuchen wie bisher, so wenig wie möglich nach außen dringen zu lassen«, sagte Hermann. »Wie gesagt, die ersten Symptome sind am späten Nachmittag aufgetreten.«
Einige Augenblicke lang herrschte Stille.
Alle Augen waren auf Cynthia gerichtet. Auf den Gesichtern spiegelten sich Wut, Entsetzen und die Frage: Wie konnte so etwas geschehen, nach all den Maßnahmen, die Cynthia ihnen gerade erst erläutert hatte und die erhebliche finanzielle Mittel verschlungen hatten, Mittel, die sie eigentlich gar nicht hatten?
»Es gibt noch keine Bestätigung dafür, dass es sich auch in diesem Fall um methicillinresistente Staphylokokken handelt«, stieß Cynthia gereizt hervor. Die Vorsitzende der Hygienekommission der Klinik hatte sie unmittelbar vor dieser Sitzung angerufen und über den Fall unterrichtet.
»Wenn Sie damit sagen wollen, dass noch keine Kulturen zur genauen Bestimmung der Keime angelegt worden sind, dann haben Sie recht«, meinte Hermann. »Aber unser VITEK-Analyse-System hat ein positives Ergebnis erbracht, und meine Laborleiterin hat mir gesagt, dass das Gerät noch nie einen falschen Positiv-Befund gemeldet hat. Falsche Negativ-Meldungen, die gibt es gelegentlich, aber keine falschen positiven.«
»Großer Gott«, sagte Angela und versuchte Haltung zu bewahren. »Ist der Patient denn erst heute operiert worden?«
»Heute Morgen«, erwiderte Hermann. »Er hat eine Kreuzbandplastik bekommen.«
»Wie geht es ihm, oder soll ich lieber gar nicht erst fragen?«
»Auf dem Weg ins University Hospital ist er gestorben. Der Mann hat
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