Montgomery & Stapleton 07 - Die Seuche Gottes
sich vorstellen konnte, dass Jack zum Umdenken zu bewegen war, vorausgesetzt, sie kam der Lösung dieses Rätsels auf die Schliche. Mit einem Ruck stand sie auf und stürzte aus dem Raum. Ein Adrenalinstoß hatte ihre Melancholie beiseitegewischt. Sie wollte diesem Rätsel auf die Spur kommen, ganz egal, wie unwahrscheinlich das war, und wollte sich auch durch den viel zu engen Zeitrahmen nicht davon abbringen lassen.
»Aber ich fürchte, ich muss dich noch für ein paar andere Fälle einteilen«, rief Riva ihr hinterher.
Mit einer Handbewegung signalisierte Laurie, dass sie verstanden hatte.
»Willst du die Akten jetzt gleich haben oder später?«, brüllte Riva noch.
Laurie kam noch einmal zu Riva zurückgeeilt.
»Zwei Fälle, die sich interessant anhören und relativ schnell gehen müssten«, sagte Riva und reichte ihr die beiden Umschläge. »Beide jung, allem Anschein nach gesund und Anfang dreißig. Du bist also wahrscheinlich ziemlich schnell fertig und kannst dich deinem MRSA-Mysterium widmen.«
»Wie lautet die vorläufige Todesursache?«
»Keine Angabe. Eines der Todesopfer ist beim Zahnarzt gestorben, nach einer Lokalanästhesie. Ich weiß, das klingt nach Medikamentenschock, aber es gibt keine Anzeichen für eine Anaphylaxe. Der andere ist in einem Fitnesscenter auf dem Ergometer zusammengebrochen.«
»Ich bin da!«, rief jetzt eine Stimme. »Der Tag kann also offiziell beginnen.«
Laurie und Riva hoben den Blick und sahen, wie Chet hereingefedert kam. Er wirbelte sein Jackett wie ein Lasso über dem Kopf und schleuderte es auf einen der Vinylsessel.
»Wo sind sie denn alle hin?«, fragte er mit verwirrter Miene. Er hatte zumindest damit gerechnet, Jack noch anzutreffen.
»Jack und Vinnie sind schon unten«, erwiderte Laurie. »Du bist ja noch besser drauf als gestern und schon den zweiten Tag hintereinander fast pünktlich. Was ist denn los? Sag bloß, du konntest deine neue Freundin doch noch zu einem Abendessen überreden.«
Chet stellte sich kerzengerade hin, zeigte mit der erhobenen rechten Hand den Pfandfindergruß und schlug die Hacken zusammen. »Pfadfinder lügen nicht. Genau so war es, und ich kann voller Glück berichten, dass sie noch faszinierender und attraktiver ist, als ich sie in Erinnerung hatte. Es hat mir richtiggehend Spaß gemacht, mich mit ihr zu unterhalten.«
»Hast du das gehört, Riva? Wir werden womöglich Zeugen der ersten, sanften Regungen eines Reifeprozesses bei diesem bislang so pubertären Menschen. Er hat sich damit zufriedengegeben, ein anderes menschliches, weibliches Wesen einfach nur besser kennenzulernen.«
»Na ja, so weit würde ich jetzt nicht gehen«, erwiderte Chet. »Ich habe schon versucht, sie in mein Apartment zu locken oder mich in ihres, aber sie hat mich mit dem Essen abgespeist.«
»Mist«, sagte Laurie und schnipste in gespielter Enttäuschung mit den Fingern.
»Ich muss mich bei dir für deinen Ratschlag bedanken, Laurie. Ohne deine Ermutigung und deinen guten Rat wäre das Date bestimmt nicht zustande gekommen.«
»Sehr gern geschehen«, erwiderte Laurie. Dann wandte sie sich an Riva. »Danke für diese Fälle hier. Genau das Richtige.« Erneut wollte sie sich auf den Weg in den Obduktionssaal machen.
»Sie hat mich total aus dem Konzept gebracht«, fuhr Chet fort, und Laurie war gezwungen, stehen zu bleiben. »Sie ist Ärztin, approbierte Internistin. Und außerdem ist sie Vorstandsvorsitzende eines Multi-Millionen-Dollar-Unternehmens, das Spezialkliniken baut und betreibt. Was ich damit sagen will: Sie ist eine wirklich beeindruckende Frau.«
Laurie verspürte ein unangenehmes Ziehen in der Magengegend und eine Art Schwindelgefühl, die aber genauso schnell, wie sie aufgetreten, auch wieder verschwunden waren. Nach kurzem Räuspern sagte sie: »Heißt sie vielleicht zufälligerweise Angela Dawson?«
»Genau!«, rief Chet. »Kennst du sie etwa?«
»Eigentlich kaum«, erwiderte Laurie überrascht. »Ich bin ihr nur kurz begegnet und muss leider gestehen, dass ich nicht annähernd so begeistert war wie du.«
»Wieso denn nicht?«
»Ich fürchte, ich habe jetzt keine Zeit für eine ausführliche Erklärung, aber vielleicht kann ich so viel sagen: Ich hatte das Gefühl, dass die Unternehmerin in ihr mehr zu sagen hat als die Ärztin.«
Laurie war klar, dass Chet noch mehr Fragen hatte, aber sie musste jetzt endlich mit ihrer Arbeit anfangen. Also entschuldigte sie sich, trotz all seiner Proteste. Während sie schnellen Schrittes
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