Montgomery & Stapleton 07 - Die Seuche Gottes
Größe der weißen Blutkörperchen, die Laurie schon gesehen hatte und die das körpereigene Abwehrsystem bildeten, allerdings ohne Zellkern. Von dem Färbemittel, das bei der histologischen Untersuchung verwendet worden war, hatte es so gut wie nichts angenommen.
Das Auffallendste aber war seine fast runde Scheibenform und der symmetrische, leicht gezackte Rand, der ihm ein beinahe sternförmiges Aussehen verlieh. Das mit der Symmetrie war deshalb von Bedeutung, weil Artefakte meist nicht so symmetrisch waren. Jetzt besah Laurie sich das Objekt genauer. Der gezackte Rand nahm etwa ein Fünftel seines gesamten Durchmessers ein. In der Mitte war das Ding lichtundurchlässig und ließ höchstens ahnen, dass es dort möglicherweise knötchenförmig oder fleckig war. Sie hatte Mühe, es überhaupt einigermaßen konstant im Blickfeld zu behalten. Wenn das Ding doch wenigstens die Färbung angenommen hätte, dann wüsste sie jetzt, ob es wirklich existierte oder ob sie es sich vielleicht nur einbildete. Laurie versuchte ihre Aufregung im Zaum zu halten und holte einen Filzstift hervor, um die genaue Position des Objektes auf dem Glasplättchen zu markieren, damit sie es wieder finden konnte, falls sie den Objekttisch versehentlich verstellte. Dazu machte sie an allen vier Rändern des Objektträgers einen kleinen Punkt. Anschließend stellte sie zufrieden eine niedrigere Vergrößerungsstufe ein. Beim Blick durch das Okular erschien das Objekt eindeutig kleiner, und da es keine Färbung besaß, fügte es sich nahtlos in seine chaotische Umgebung ein.
Sie wählte wieder die stärkste Vergrößerung und versicherte sich, dass das Ding, was immer es sein mochte, sich immer noch an Ort und Stelle befand. Dann holte sie Jack nach oben.
Als er sich das Objekt angeschaut hatte, sagte er: »Meine Güte, wie ist denn ein Butterkeks meiner Oma in David Jeffries’ Lunge geraten?«
»Sei doch mal ernst«, sagte Laurie. »Wofür hältst du das?«
»Das ist mein Ernst. Das Ding sieht so aus, als ob es direkt aus einem der Keksausstecher meiner Oma stammt. Wir haben immer ›Stern‹ dazu gesagt, aber eigentlich ist es dafür viel zu rund.«
»Ob es ein Artefakt sein könnte?«
»Das wäre mein erster Tipp gewesen, aber dafür hat es eine verblüffend symmetrische Form. Das hängt vermutlich mit der dynamischen Spannung zwischen den hydrophilen und den hydrophoben Kräften am Schnittpunkt der Menisken zusammen.«
»Was, zum Teufel, soll das denn heißen?«
»Woher soll ich das wissen?«, erwiderte Jack, der immer noch das Objekt unter dem Mikroskop betrachtete. »Ich quatsche nur irgendwelches pseudomedizinisches Zeug vor mich hin.«
Laurie versetzte ihm einen spielerischen Klaps auf die Schulter. »Und ich hab schon gedacht, du weißt, wovon du redest.«
Jack hob den Blick. »Tut mir leid. Ich habe wirklich keine Ahnung, was das sein könnte. Nicht einmal, ob es organisch oder womöglich nicht organisch ist.«
»Ich auch nicht«, gab Laurie zu.
»Hast du noch mehr von der Sorte entdeckt oder ist das das Einzige?«
»Bis jetzt nur dieses eine. Aber jetzt will ich natürlich wissen, ob es noch mehr davon gibt.«
»Hast du irgendeine Vorstellung, was es sein könnte?«
»Ich glaube, ich weiß, woran es mich erinnert, aber das ist völlig ausgeschlossen.«
»Na, los. Spann mich nicht auf die Folter.«
»Es sieht aus wie eine Diatomee. Hatten wir mal in Biologie, weißt du noch?«
»Ehrlich gesagt, nein.«
»Müsstest du aber. Das ist ein einzelliger pflanzlicher Organismus, auch Kieselalge genannt, mit Zellwänden aus Siliziumdioxid.«
»Oh, Hilfe«, sagte Jack. »Wie kannst du dir das alles bloß merken?«
»Sie sind wunderschön, ein bisschen so wie Schneeflocken. An der Highschool habe ich in Biologie Skizzen davon gemacht.«
»Tja, herzlichen Glückwunsch zu deiner Entdeckung. Aber falls du meine Meinung hören willst: Ich würde eher für ein Artefakt plädieren als für eine Kieselalge aus dem Ozean, es sei denn, die an der Uni-Klinik haben dem Patienten im Rahmen ihrer therapeutischen Bemühungen Meerwasser aus der Antarktis zu trinken gegeben.«
»Sehr witzig«, meinte Laurie sarkastisch. »Artefakt oder nicht, ich werde jetzt jedenfalls überprüfen, ob es noch mehr davon gibt.«
»Viel Glück. Sag mal, ich bin jetzt auf dem Sprung. Willst du’s dir vielleicht doch noch mal überlegen und mitkommen?«
»Danke der Nachfrage, aber nein, danke. Ich werde mir noch eine Weile diese Objektträger anschauen
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